Archiv Ausgabe Januar 2011 Verschiedenes Meldungen

Walter Helmut Fritz

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„Alle Erkenntnis liegt in der Anschauung“ -  
 
Er war einer der letzten, die man vielleicht als „Großen Dichter“ bezeichnen konnte, Walter Helmut Fritz, der am 20. November in Heidelberg starb, wo er seine letzten Lebensjahre verbrachte. Ich erinnere mich gerne an die Begegnungen mit ihm – er war von einer außerordentlichen Zugewandtheit, wie ich sie bei keinem anderen Menschen erlebt habe. Wenn er im Gespräch schwieg, so bedeutete das für mich, dass ich die Antwort in meiner Frage suchen sollte, in mir selbst oder aber in seinen Gedichten. Aber das musste ich erst lernen. Erstmals traf ich ihn 1994. Ich war ein junger Autor, von dem ein Prosaband auf dem Markt war. Seit Jahren las ich seine Gedichte, sie haben mich geprägt wie die von Paul Celan, Peter Huchel oder Rolf Dieter Brinkmann. Das Werk des 1929 in Karlsruhe geborenen Fritz war Gegenstand einer Prüfung zum Abschluss meines Studiums. Ich suchte seine Nummer aus dem Telefonbuch und rief ihn an - über 40 Jahre lang lebte er in einem Hochhaus in der Waldstadt. Der Dichter willigte sofort ein, dass der unbekannte Prüfling ihm ein paar Fragen stellen durfte. Der Magisterkandidat stellte ihm poetologische Fragen, Fragen, wie sie heute noch gerne unter jungen Lyrikern diskutiert werden. Fritz sah mich an, lächelte und sagte einige wenige Worte. Ich geriet ins Schwitzen, weil er lange und viel schwieg und mich dabei freundlich anblickte. In den folgenden Jahren sind wir uns gelegentlich begegnet, ich lud ihn zu Lesungen des Schriftstellerverbandes ein, wir engagierten uns beide bei der Literarischen Gesellschaft. Unsere Gespräche wurden weniger verschwiegen, Fritz schrieb mir für einen meiner Gedichtbände ein wunderbares Nachwort. 
 
„Seine Gedichte kommen ohne großen Stimmaufwand aus, sie haben Behutsamkeit, Zartheit, Strenge, sind - trotz gelegentlicher Verschwiegenheit - offen für die Verständigung mit dem Leser.“ Was Fritz über die Gedichte eines anderen Kollegen schrieb, gilt auch für seine eigenen. „Alle Erkenntnis liegt in der Anschauung“, sagte er in dem erwähnten Interview. Und so gelangen ihm lakonische Gedichte, die heute nicht nur in den Schulbüchern stehen, sondern von einer schlichten, zeitlosen Schönheit sind: „Als wir vorbeikamen,/ ruhten die Schafe/ im Schatten der Mauer.// Bei der Rückkehr,/ eine halbe Stunde danach,/waren sie weg.// Aber erst jetzt/ sahen wir sie.“ Matthias Kehle