Archiv Ausgabe Dezember 2019 Verschiedenes Lesungen / Vorträge

Johann Peter Hebel

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Den Besitz von Wahrheit lehnte er ab 
 
Zu seinen bekannten Werken gehören die „Alemannischen Gedichte“ und das „Schatzkästlein des Rheinischen Hausfreundes“. Die Rede ist vom ersten Bischof der Badischen Landeskirche, dem Aufklärer und Dichter Johann Peter Hebel (1760- 1826). Am 17. Dezember um 19 Uhr wird im Prinz-Max-Palais bei der Literarischen Gesellschaft die neue Hebel-Gesamtausgabe präsentiert. Mit Dr. Franz Littmann, einem anerkannten Hebel-Experten, der an dem aufwendigen Projekt beteiligt war, sprach unser temporärer Mitarbeiter Franz Littmann. 
 
 
Herr Littmann, was ist das Besondere an dieser Gesamtausgabe? 
 
#fFL: Nach fast 200 Jahren ist es gelungen, eine kommentierte Studienausgabe in 6 Bänden von Johann Peter Hebel vorzulegen. Wir, also Jan Knopf, Hansgeorg Schmidt-Bergmann, ich und viele, viele Mitarbeiter haben 12 Jahre daran gearbeitet. 
 
Warum hat das so lange gedauert und was ist das Neue daran? 
 
FL: Neu ist noch nie Veröffentlichtes wie z.B. Hebels Exzerpthefte, sein in der Antike verwurzeltes Stilbuch, das Verzeichnis seiner Bibliothek, außerdem wurden viele Texte erstmals übersetzt; z. B. seine Lateinischen Reden, die er als Schüler halten musste am „Gymnasium illustre“, dem heutigen Bismarckgymnasium, lateinische, griechische, hebräische, italienische Passagen... 
 
 
Was daran ist so wichtig? 
 
FL: Man versteht Hebels Weltanschauung besser. Er war ja ein Aufklärer. Im Geiste von Herder, Lessing und Mendelssohn setzte er sich ein für ein tolerantes Miteinander der Religionen. Die Verwandtschaft mit dem jüdischen Denken haben vor allem jüdische Philosophen gesehen: Adorno, Benjamin, Bloch, Scholem. Seine Ethik war, wie Walter Benjamin sagte, kasuistisch. Also eine von der jeweiligen Situation abhängige und an der Menschlichkeit orientierte pragmatische Ethik, keine doktrinäre, zeitlose Pflichtethik wie bei Kant. Wie man richtig lebt, sollte nicht „von oben“ den Leuten oktroyiert werden. Hebel wollte eine Aufklärung „von unten“. 
 
Wen interessiert das denn heutzutage noch? 
 
FL: Von Hebel kann man lernen, wie man zu einem Ausgleich der Meinungen kommt, wie man das richtige Maß findet, wie man Kompromisse schließt. Den Besitz von Wahrheit lehnte er ab, für ihn gab es eine Pluralität von Wahrheiten. Deshalb lässt er den Leser seiner Geschichten selbst entscheiden, was richtig oder falsch, klug oder einfältig, situationsangemessen oder einfach egoistisch ist. Hebel konfrontiert den Leser mit Dilemmageschichten, vieles steht zwischen den Zeilen und ist doppelbödig. In der heutigen Zeit, in der die Manipulation zum Konformismus und die Rechthaberei vorherrschen, enorm wichtig. 
 
Du warst ja fast 20 Jahre im KAP hinter dem Tresen. Hat Deine Beschäftigung mit Hebel irgendetwas damit zu tun? 
 
FL: Ja selbstverständlich. In Hebels Geschichten geht es zu wie auch heute noch im KAP: Es gibt Ehrliche und Spitzbuben, Schlaue und Dumme, Reiche und Arme, Schlagfertige und Tölpel. 

Literaturhaus im PrinzMaxPalais

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