Achim Thorwald - Interview
Der Wegbereiter und Ermöglicher
Bundesweite Beachtung, regelmäßig ausverkauftes Haus selbst bei so sperrigen Themen wie Elfriede Jelineks Prinzessinenmonologen und spürbar wiedergewonnene Begeisterung in der Stadt über das eigene Theater. Seit Achim Thorwald in der Spielzeit 2002/03 das Haus an der Baumeisterstraße übernahm, ist es merklich aufgeblüht und seit langem einmal wieder in allen drei Sparten top. Für die Klappe auf sprach Johannes Frisch mit dem 1943 in Stuttgart geborenen begeisterten Theatermenschen.
Der Wegbereiter und Ermöglicher
Herr Thorwald, Sie haben gerade ihre vierte Spielzeit hier in Karlsruhe begonnen. Man sagt ein neues Theaterteam brauche drei Spielzeiten, um in der Stadt und beim Publikum anzukommen. Sind Sie angekommen´
Thorwald: Ich denke ja. Wir haben das hohe Niveau der Oper halten können, im Bezug auf das Ensemble Qualität und Präsenz sogar noch verstärkt. Was mich aber besonders freut, ist, dass das Schauspiel wieder voll in der Stadt präsent ist und das Ballett so ins Gespräch gekommen ist, wie es diese Sparte verdient. Die Etablierung bedeutet aber nicht, dass wir uns darauf ausruhen, sondern dass wir jetzt erst was draus machen müssen.
Mit Ende dieser Spielzeit blicken Sie auf 30 Jahre im Intendantenberuf zurück, sehen Sie sich eher in der Rolle des Künstlers oder des Theaterdirektors´
Thorwald: Wo ist der Unterschied´ Ich schlüpfe einerseits immer wieder auch in die Rolle des Schauspielers und des Regisseurs, weil ich es nicht lassen kann, das ist das Lebenselexier. Auf der anderen Seite fühle ich mich als Wegbereiter und Ermöglicher, was genauso viel Spaß macht, wie die eigene künstlerische Arbeit. Mein größter Ehrgeiz gilt dem künstlerisch besten Ergebnis für das Theater.
Das Badische Staatstheater hat sich für den arena-Sommernachtstraum weit aus dem Fenster gelehnt. Diese Veranstaltung im Vorfeld der Tour de France hat den größten Schuldenberg der derzeit in der Aufarbeitung befindlichen KMK-Veranstaltungspleiten hinterlassen. Wieso wuchs diese Veranstaltung zu einem solchen Misserfolg´ Haben Sie das nicht kommen sehen´
Thorwald: Mit der gesamten finanziellen Seite haben wir nichts zu tun gehabt. Wir haben vollkommen unentgeltlich Orchester, Chor, Dekoration und Techniker zur Verfügung gestellt und bei der künstlerischen Organisation mitgeholfen. Wir waren Ratgeber beim Engagement der Opernsänger. Bei der Auswahl der Künstler des Popbereichs und der Verpflichtung der drei Diven wurden wir lediglich als Gesprächspartner informiert. Wir wären der größte Batzen an Personal gewesen, sind aber nicht in die Kalkulation eingeflossen, das war unser Geschenk an die Stadt. Wir haben von dem Desaster genauso aus der Zeitung erfahren wie alle anderen. Nachdem ich von der Höhe des Defizits gehört habe, frage ich mich, wo das Geld geblieben ist. Von der Idee bin ich nach wie vor angetan, davon will ich mich überhaupt nicht distanzieren. Ich fand das eine tolle Sache, und die, die da waren, fanden das auch. Die Probleme in der Öffentlichkeitsarbeit, das abgrundhässliche Plakat, das steht alles auf einem anderen Blatt. Da sind Fehler gemacht worden. Das war nicht unsere Aufgabe, aber wir haben das bereits im Vorfeld kritisiert.
Wie fühlen Sie sich mit dem Badischen Staatstheater in die Karlsruher Kulturlandschaft eingebunden´
Thorwald: Schlicht und einfach sehr gut. Mit den großen Institutionen, mit denen wir regelmäßig zusammensitzen, sowieso. Mit den kleinen Theatern kommen wir mit einer Ausnahme ebenfalls glänzend aus. Wir unterstützen diese zum Beispiel auch durch Werbung in unserem Programmheft.
Gibt es in Ihrer Freizeit für Sie auch Kultur in Karlsruhe außerhalb des Staatstheaters´
Thorwald: Ja unbedingt. Ich besuche mehrmals im Jahr das ZKM, die Kunsthalle, das Landesmuseum, demnächst gehe ich ins Kammertheater, ich gehe gerne zu Charlie Kaufmanns Käuzen, zum Jakobus-Theater habe ich es leider bisher noch nicht geschafft. Aber auch das Tollhaus oder das Substage bieten erstklassige kulturelle Veranstaltungen.
Im Zusammenhang mit den kommunalen Haushaltsberatungen kam es in der jüngsten Vergangenheit wiederholt zu Unmutsäußerungen freier Kulturträger in Karlsruhe darüber, dass während deren Zuschüsse im besten Falle beibehalten wurden, das Staatstheater als einziges auf regelmäßig steigende Mittel bauen kann. Können sie diesen Ärger verstehen´
Thorwald: Der Ärger bezieht sich im Wesentlichen auf eine Einrichtung, Herrn Kreiner und das Sandkorn-Theater, da scheint aber auch eine persönliche Antipathie unserem Haus oder mir gegenüber eine Rolle zu spielen. Ansonsten erhebe ich bei der Vorstellung von Steigerungen entschiedenen Widerspruch. Das Badische Staatstheater hat in der jüngeren Vergangenheit von allen Institutionen in Karlsruhe am meisten eingespart. Seit 1993 sind bereits 36 Stellen gestrichen worden, bis 2008 werden weitere zehn Stellen hinzukommen. Der Ausstattungsetat beträgt heute nur noch 40 Prozent von vor zehn Jahren. Wäre der Etat von 1993 an kontinuierlich angepasst worden, müsste er heute sechs Millionen Euro höher liegen, als er tatsächlich ist. Was an Steigerungen kam, waren die Tarifsteigerungen des Öffentlichen Dienstes, an den die Struktur des Hauses angepasst ist. Das haben wir uns nicht ausgesucht. Dies haben mittlerweile auch alle Politiker im Karlsruher Stadtrat begriffen.
Das deutsche Modell der kommunalen und staatlichen Bühnen ist in dieser etablierten Form weltweit einzigartig´ Doch wird es in Zukunft noch tragbar sein, und welche Veränderungen wird es machen müssen, um zu überleben´
Thorwald: Was wir im Bezug auf die weitere Flexibilisierung der Künstlerverträge tun können, machen wir, aber die Tarife der anderen Angestellten können wir nicht beeinflussen. Wenn man dieses System will, um das wir nicht umsonst in der ganzen Welt beneidet werden, muss man es bezahlen. Solange wir soviel Publikum bekommen, ist auch der Bedarf da. Alle Theater, öffentlich-rechtliche, private und Festivals zusammengenommen, haben jährlich über 35 Millionen BesucherInnen, das ist mehr als der bezahlte Fußball in sämtlichen Ligen zusammen. Dafür benötigen wir 0,25 Prozent der Ausgaben der öffentlichen Hand. Mit dem Reduzieren der Kulturetats kann man keinen öffentlichen Haushalt sanieren, aber man kann leicht eine Kultur kaputt machen. Außerdem haben drei unterschiedliche und unabhängige Studien belegt, dass über die Umwegrentabilität die Investition in die Kultur für die Geldgeber letztlich ein Geschäft ist. Wenn etwa unser Theater geschlossen würde, wäre dies ein herber Schlag für die Karlsruher Wirtschaft, die Stadt und das Land, ganz abgesehen von der pädagogischen Arbeit, die unsere Mitarbeiter vielfach unbeachtet in Zusammenarbeit mit den Schulen leisten - auch eine Investition in die Zukunft im besten Sinne.
Welche Entwicklungsperspektiven sehen Sie und wünschen Sie sich für Ihr Haus´
Thorwald: Dass wir in den nächsten Jahren keine finanziellen Weiterentwicklungen etwa für den Ausstattungsetat oder die Händelfestspiele haben werden, ist mir auch klar. Aber ansonsten haben wir sehr viele künstlerische Ideen und Pläne, die wir im Rahmen unserer Möglichkeiten ausreizen werden. Da bin ich sehr optimistisch, weil das Haus darauf brennt, und das ist gut so.
Das Theater gilt im Allgemeinen als ein Ort der Aufklärung. Wieso holen Sie sich mit der neuen Reihe "Theatergesprächen über Gott und die Welt" ausgerechnet die Kirchen ins Haus´
Thorwald: Das hat sehr wohl etwas mit Aufklärung zu tun. Das Theater hat sich immer auch mit Religion auseinandergesetzt, und die Reibungsfläche, die durch solche Gespräche entsteht, ist doch sehr interessant. Das Theater ist immer kritisch und zwar nach allen Seiten.
Ihr Vertrag mit dem Badischen Staatstheater läuft bis 2008, dann erreichen Sie die Altersgrenze von 65 Jahren, in der arbeitende Menschen für gewöhnlich in den Ruhestand gehen. Gibt es dann vielleicht doch noch eine Zukunft mit dem Intendanten Thorwald´
Thorwald: Das kann ich mir durchaus vorstellen, ich bin ja kein Beamter. Körperlich bin ich in einem hervorragenden Zustand und habe nach wie vor unglaublich viel Spaß an der Arbeit. In Karlsruhe verbringe ich die schönste Theaterzeit meines Lebens, und ich hatte schon viele schöne Zeiten. Doch das wird sich wohl im kommenden Frühjahr entscheiden.