Anne Segor
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Was ist Kultur, was ist förderungswürdig ´
Der Kulturbürgermeister Ullrich Eidenmüller hatte es schon lange angekündigt, Anfang Dezember trifft sich nun der Kulturausschuss des Karlsruher Gemeinderats zur Klausurtagung, um über die künftige Linie der Karlsruher Kulturpolitik und der Mittelvergabe zu diskutieren. Die Gemeinderatsfraktion der Grünen indes preschte bereits vor, indem sie einen Antrag an den Karlsruher Gemeinderat formulierte, der die innovative Kulturszene in Karlsruhe stärken soll. Ab dem Doppelhaushalt 2007/08 soll es einen Topf von 100.000 Euro geben, der durch eine Jury kurzfristig für Projekte und neue Initiativen vergeben werden soll. Johannes Frisch sprach für die Klappe Auf mit Anne Segor, einer der Kultursprecherinnen der Grünen, die diesen Vorstoß maßgeblich initiierte.
Was ist Kultur, was ist förderungswürdig ´
Woran mangelt es Ihrer Meinung nach der Karlsruher Kulturlandschaft´
Anne Segor: Das Karlsruher Kulturleben ist sehr reich und vielfältig, und unser Antrag bedeutet in keiner Weise, dass wir das, was ist, irgendwie schlecht machen oder kritisieren wollen. Wir wollen ledigliche zusätzlich Projekte aus der freien Szene fördern, weil wir meinen, dass die Kreativität, die von unten wächst, bisher zu wenig Unterstützung findet.
Woran konkret denken Sie, wenn sie diesen Antrag formulieren´ Welche Projekte mussten in der Schublade bleiben oder scheitern, weil ihnen die finanzielle Unterstützung fehlte´
Segor: Es ist schwierig, Namen zu nennen, die einen hervorzuheben und andere zu unterschlagen. Wir haben auf einer Rundreise eine ganze Reihe interessanter Projekte und Einrichtungen kennengelernt, die den Weg zur Kulturverwaltung nicht geschafft haben, oder bislang auch gar nicht suchten. Es ist auch schwierig zu unterscheiden, was ist Kultur, was ist förderungswürdig und was ist eine Eintagsfliege. Doch obwohl weder Kulturphilosophie noch -politik das entscheiden können, dürfen wir uns diesen Ansätzen nicht verschließen, aus denen ja neue Impulse erwachsen können. Aufzufinden, wo solche aktuellen Entwicklungen sich anbahnen, wäre die Aufgabe einer Jury, Streuverluste muss man dabei in Kauf nehmen.
Geht es dabei auch um eine Generationenfrage in der Karlsruher Kulturszene´
Segor: Ja, sicherlich auch. Wo kulturelle Bewegung stattfindet, ist nicht an das Alter gebunden, aber sehr oft sind es jüngere Menschen, die neue Wege ausprobierend Anstöße geben. Das Alter kann aber natürlich kein Vergabekriterium sein.
Welchen Stellenwert messen Sie der so genannten Clubkultur bei, die in der jüngsten Vergangenheit verstärkt fehlende Unterstützung bemängelte´
Segor: In diesem Bereich kann sehr viel passieren, wenn junge Menschen in einer nicht belehrenden Weise mit Kultur konfrontiert werden, und merken, das Kultur nicht nur bildungsbürgerlich verstanden ungeheuerlich viel Spaß machen kann - wenn Theater, Musik und Ausstellung zusammenkommen, neue Formensprachen erprobt und Kultursparten aufgebrochen werden. Was zum Beispiel in der Ex-Steffi passiert, ist sicherlich nicht für jeden etwas, aber auch wo es schwierig wird, sollte Unterstützung sein, vielleicht springt ja gerade von da einmal der kreative Funke über. Heute weiß keiner, was in der Kulturentwicklung von Dauer sein wird.
In wieweit lassen sich im Bereich der Clubkultur gastronomische Interessen von kulturellen Anliegen abgrenzen´
Segor: Da wird die Stadt klar trennen müssen, aber das scheint mir unproblematisch. Wenn die Stadt zum Beispiel ein gewisses Musikprojekt fördert, muss es sie nicht interessieren, wenn nebenbei auch gastronomische Erlöse erzielt werden. Die Grenzen sind hier überall fließend.
Allenthalben ist in den kommunalen Haushalten Sparen angesagt, womit soll dieses neue Budget finanziert werden´
Segor: Die Stadt Karlsruhe wirtschaftet sehr um- und vorsichtig. So haben wir einen Nachtragshaushalt von rund 50 Millionen Euro, mit denen man nicht gerechnet hatte, die nun an verschiedene Projekte wie Zoo und Straßenbau vergeben werden. Da sollte es für eine Stadt, die in offiziellen Verlautbarungen Kultur als einen wichtigen Schwerpunkt ihrer Politik beschreibt, möglich sein, einen bescheidenen Fördertopf einzurichten.
In der vom Kulturdezernenten einberufenen Klausurtagung des Kulturausschusses geht es unter anderem auch um die Frage, ob sich in der städtischen Förderung Erbhöfe entwickelt haben, bei denen problemlos eingespart werden könne. Wo sehen Sie da Potentiale´
Segor: Das ist schon einmal vor zwei Jahren im Zuge der Einsparungen durch das Land versucht worden und gescheitert, weil jeder mit Klauen und Zähnen seine Töpfe verteidigte. Hier muss sehr vorsichtig ausgehandelt werden, damit die Kulturlandschaft, die in der Förderung drin ist, nicht beschädigt wird. Ich persönlich finde Verschiedenes, was da gefördert wird, total überflüssig, aber verschiedene Menschen haben unterschiedliche Geschmäcker, und man muss ihnen unterschiedliche Angebote machen. Bei den Verhandlungen unter Politikern spielen natürlich auch deren Vorlieben eine Rolle, und es wäre unklug da vorzupreschen.
Zum Schluss noch ein anderes Thema. Die Stadt hat mit der dm-arena eine riesengroße Mehrzweckhalle, die von Anfang an auch für Konzerte konzipiert worden war. Unter anderem weil sie über keine eigene Tribüne verfügt, ist die Halle derzeit kaum vermietbar und konkurrenzfähig. Was soll die Stadt mit dieser Halle anstellen´
Segor: Meine persönliche Meinung ist, hier nur Messen zu veranstalten. Wir haben in der Stadt viele Institutionen, die ein großes Publikum anziehen und es gibt im weiten Umkreis zu viel Konkurrenz. Da müssten sich kluge Leute ein Konzept überlegen, um hier zu bestehen und nicht weiterhin der Stadt Geld zu kosten. Aber wenn es so wie bisher läuft, kann man auf die dm-arena verzichten. Da werden Millionen zugeschossen und wir werden für den 100.000-Euro-Topf hart kämpfen müssen.