Benedikt geht, Til Schweiger kommt
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Die Bösen ballern viel, treffen aber wenig, die Guten ballern etwas weniger, treffen dafür aber besser. Das ist zusammen mit den üblichen Geschwindigkeitsübertretungen im Straßenverkehr sowie anderen Verstößen gegen die StV0 und etwas Pyrotechnik die Essenz eines Actionfilms.
Das Muster ist schnell erschöpft und schon längst in die Jahre gekommen, das beweisen die jüngsten altersmüden Kinoauftritte von Veteranen wie Bruce Willis, Arnold Schwarzenegger und Sylvester Stallone. Mit diesen abgenudelten Handlungsmustern kommt kein frischer Wind in den „Tatort“, nur ein schon reichlich abgestandener Hauch (man könnte auch sagen Mief) von Hollywood. Bei seinem ersten Auftritt als „Tatort“-Kommissar vereint Till Schweiger in sich die beiden Rollenklischees, die er in den letzten Jahren bedient hat, den schusseligen, aber liebevollen Papa, der im Grunde selber noch ein großer Junge ist, und den unerschrockenen Actionhelden.
Das beides nicht recht zusammenpasst (nicht umsonst hat James Bond keinen familiären Anhang), fällt gar nicht weiter auf in diesem aus allerhand Versatzstücken zusammengeklaubten Krimi: Menschenhandel und Kinderprostitution verpackt in süffige Fernsehunterhaltung mit viel Blut, Ballereien, coolen Sprüchen, Notebook-Geklimper, billiger Selbstironie und ziemlich verlogenem moralischen Gestus. Mit Til Schweiger ist der „Tatort“ auf „Bild“-Niveau angekommen, dazu passt auch ein Gastauftritt von Boxer Arthur Abraham, der in der Rolle eines Zuhälters zeigen darf, dass kein Schauspieler an ihm verloren gegangen ist. Aber während er als einer der miesen Mädchenhändler mit osteuropäischem Migrationshintergrund schon nach wenigen Minuten ins Gras beißen darf, nuschelt sich Schweiger weiter durch ein schönes Hamburg und eine wirre Handlung, darf sich ein paar pittoreske Schrammen holen, ist aber im Grunde unkaputtbar. Drei Menschen, zugebenermaßen nicht die sympathischsten, über den Haufen geschossen und selbst dem Tode entronnen, geht der Mann am Feierabend in aller Seelenruhe nach Hause zum heranwachsenden Töchterlein (praktischerweise wieder aus Schweigerscher Eigenproduktion), kümmert sich ums Abendessen (Pizza bestellen) und tut so, als wäre nichts gewesen. Na ja gut, war im Grunde ja auch nix - außer einem von vielen verplemperten Fernsehabenden.
Das sei eben ein Popcorn-Tatort, sagen viele. Aber da geht es hoffentlich nicht nur mir so: Ich habe nach dem Abendessen einfach keine Lust auf Popcorn. Am Tag nach der Ausstrahlung wurde gemeldet, das sei der „Tatort“ mit der höchsten Einschaltquote seit zwanzig Jahren. Ja, wenn wundert´s bei dem Medienhype?! Darüber wie es den Zuschauern gefallen hat, sagt diese Zahl rein gar nichts. Wenn die Zählung mit den 12, 5 Millionen stimmt, war ich schließlich auch darunter, und muß damit wie viele andere auch, die sich mit eigenen Augen überzeugt haben, dass sie mit ihren Befürchtungen recht hatten, auf einmal als Argument für noch viele weitere Schweiger-Tatorte herhalten.
Aber gegenüber solchen Vereinnahmungen und Eingemeindungen ist man machtlos. Was soll man zum Beispiel machen, wenn man als harm- und gottloser Rom-Tourist, der sich zufällig auf dem Petersplatz befindet, während der neue Papst gekürt wird und sich aus bloßer Neugierde (so etwas gibt es schließlich nicht alle Tage) das Spektakel bis zum Ende ansieht, unter die Schar der Gläubigen gezählt wird. Die Katholische Kirche ist halt für jedes Schäfchen dankbar, das bei der Herde bleibt, und die Medien sehen nicht genauer hin. Nun denn „die versammelten Gläubigen auf dem Petersplatz“ erlebten, wie der erste Südamerikaner, der erste Jesuit und der erste bekennende Brillenträger die Bürde des vermeintlich schwersten Amtes der Welt auf sich genommen und damit „unseren“ Benedikt noch zu Lebzeiten ablgelöst hat. Da ist Joseph Ratzinger, der so wirkte, als wäre er schon als asexueller frommer Greis auf die Welt gekommen, einmal aus der Rolle gefallen und hat damit diesem seltsamen Amt des Stellvertreters eines Chefs, der sich nie blicken läßt und seit Jahrtausenden auch nichts zu sagen hat, einiges von seinem Nimbus genommen. Das erstaunt bei einem be-kennenden Reaktionär, der in fast allem, was er gesagt und getan hat, seinen Abscheu gegen das bunte, wimmelnde, freizügige, demokratisch organisierte Leben um ihn herum zum Ausdruck gebracht hat.
Insofern ist die bis zum Erbrechen zitierte „Bild“-Schlagzeile „Wir sind Papst“ voll daneben: Die moderne deutsche Gesellschaft und dieser Papst hatten fast nichts miteinander gemein und dass er selbst daraus nie einen Hehl gemacht hat, ist mit das Beste was sich über ihn sagen läßt. Nun gibt sich der ebenfalls schon recht betagte Neue, der sich den Namen des heiligen Franziskus zugelegt hat, als Fürsprecher und Helfer der Armen, ja er propagiert sogar eine Kirche der Armen. Wie passt es da aber zusammen, dass er zusammen mit seinem Hofstaat in der prunkvollsten und teuersten Immobilie des Abendlands haust?
Viel glaubwürdiger wäre es da, der Papst samt Gefolge würde in ein heruntergekommenene Wohngegend in den Außenvierteln Roms umziehen und sein bisheriges Domizil zu Gunsten der Bedürftigen dieser Welt veräußern. Aber eher wird Til Schweiger zur deutlichen Artikulation oder gar zur Selbstkritik fähig sein, ehe das passiert.
Und damit habe ich doch noch zusammengekriegt, was eigentlich nicht zusammengehört