Archiv Ausgabe März 2006 Verschiedenes Meldungen

Harald Hurst

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Lesungen und Hommage

„Soso.... en Dichter sind Sie. Aha“ 
 
 
Fr 24.März um 20:00 Uhr Autorenlesung Harald Hurst, Geschwister-Scholl-Haus, Ötigheim 
 
 
 
Ganz unwissenschaftlich huldigt Klappe Auf dem Vielgeliebten, ebenfalls verspätet, aber dafür umso herzlicher. Es ist noch keine dreißig Jahre her, dass Harald Hurst erstmals in der Karlsruher Kulturszene in Erscheinung getreten ist; ein Spätberufener, der einiges hinter sich hatte: eine wilde Kindheit im Dörfle, ernüchternde Erfahrungen als Schiffsjunge auf Hoher See, ein spätes Abitur auf verschlungenen Wegen, ein langwieriges Romanistik- und Anglistikstudium in bewegter Zeit, ein paar gescheiterte Beziehungen. Schon den ersten Texten merkt man an, dass da mal einer nicht sein Innenleben ausstellt.  
Der Hurst hat schon damals den Leuten auf das Maul geschaut, ohne ihnen nach dem Mund zu reden. In den ersten beiden kunterbunten Bänden, die 1981 erschienen, probiert er sich noch aus in Schriftdeutsch und Mundart, sucht er noch nach der ihm gemäßen literarischen Ausdrucksform, und in einigen Texten hat er sie auch schon gefunden. Von Anfang an ist er populär; seine Lesungen sind kleine Publikumsrenner. Er liest seine Texte nicht einfach vor; er bringt sie zum Sprechen in seiner unnachahmlichen, scheinbar maulfaulen Art. Mit „Ich bin so frei“ (1986) ist er ganz bei sich und zugleich ganz nah bei seinem Publikum. Gekonnt nimmt er die Überspanntheiten der Konsumgesellschaft aufs Korn (Lifestyle ist für ihn das Gegenteil von savoir vivre), stichelt gegen den schwäbischen Nachbarn, bannt Liebesleid und -freud in Verse, die durchaus singbar sind.  
In einem Text behandelt er selbstironisch seinen Status als freischaffender Autor: „Soso.... en Dichter sind Sie. Aha. In Ihrem Alter´ Ja - was mache se denn beruflich, wenn mer froge derf´“ Noch kann er vom Schreiben nicht leben, aber er ist auf dem besten Weg dahin, vor allem als er beim größten Karlsruher Verlag, G.Braun, unterkommt. 1988 erscheint „Zwiebelherz“, sein letztes Buch in Schriftdeutsch und auch ein letzter Versuch die Grenzen der Regionalliteratur zu sprengen. Weit erfolgreicher ist der Mundartband „De Polizeispielkaschte“ (1990). Das Publikum will es so und dem Verlag ist es gewiß auch recht, dass er mit den folgenden Büchern „Daß i net lach!“ (1993), „Der mit de Wurscht“ (1995), „Vergeß den Vogel“ (1998), „Komm, geh´fort“ (2003) dem Erfolgsrezept von „De Polizeispielkaschte“ treu bleibt. Auf den „neuen Hurst“ freut man sich immer noch, immer wieder. Was aber ist die besondere Qualität von Harald Hurst´ In seinen besten Texten gelingt es dem Hurst das Leben auf frischer Tat zu ertappen und zwar in dem komischen Moment, in dem der Spagat zwischen Wunsch und Wirklichkeit am größten ist. Das mag ganz banal sein: Etwa wenn ein gutsituiertes Paar einem scheinbar weniger gutsituierten Paar gehobene Lebensart vorführt, z.B. durch das Schauspiel der eigenen Weinkennerschaft: „Er schmatzt, schlotzt, schnüffelt, gurgelt leis un schnorchelt. Dann Stille. Nur Brahms im Hintergrund“.  
Wer sich nach dieser plastisch geschilderten Szene aus „Prösterchen“ (aus „So e Glück!“) noch traut, öffentlich den Weinkenner zu mimen, dem ist nicht mehr zu helfen. Aber der Hurst weiß auch, dass es nicht so leicht ist jemanden zu treffen: „Da hat jeder seinen Stellvertreter“. In dem kleinen Essay „Dichter, was tun´“ (aus „Vergeß den Vogel“) bekennt er: „Ich will ein sanfter Spötter sein, ein behutsamer Eulenspiegel. Humorist, wo die schwierige Kunst gelingt.“ Es gelingt ihm weit öfter als den meisten anderen. Wenn er mit seinen Worten schon nichts bewirken kann, so machen seine Texte doch sichtbar, was für ein komisches Schauspiel das Leben gelegentlich bietet, was für Clowns wir sein können, gerade dann, wenn wir versuchen ernsthaft zu sein. Aber er ist auch ein Poet, ein wahrer Dichter, der die Freuden des Lebens, der Liebe und des Genießens in wortmächtige Verse bannt.  
Mit den erfolgreichen Theaterstücken „s´Veschperkischdle“ für die Badisch Bühn und vor allem „Fuffzich“ für das Sandkorn (am 19. März um 19 Uhr) hat er seinen literarischen Ruhm nicht vermehrt, aber die regelmäßig fließenden Tantiemen haben etwas mehr Ruhe und materielle Sicherheit in sein Leben gebracht. Seit Anfang der 90er Jahre lebt er in Ettlingen, in einer kleinen Wohnung mit Blick auf den Marktplatz. Es ist fast ein Idyll. Aber die Alterweisheit und Frömmigkeit, die anderen Mundartautoren in die Wiege gelegt wurden, sind - Gott sei dank - noch nicht bei ihm eingezogen. In letzter Zeit ertappt er sich selbst dabei, wie er Todesanzeigen liest. Doch die Warnung auf der Zigarettenschachtel „Rauchen kann tödlich sein“ ignoriert er beharrlich. Seine Zigarettchen und den Wein, eine Quelle seiner Inspiration, lässt er sich nicht vermiesen. Vor ein paar Jahren haben Gedichte von ihm Wein-Etiketten geziert. Aus dem geplanten Weinführer „Auf allen Vieren durch Baden“ ist nichts geworden. Zum Glück! Der aufrechte, leicht beschwingte Gang steht ihm wesentlich besser. Möge es (er) noch lange so weitergehen. -ko