Archiv Ausgabe Oktober 2013 Theater, Comedy, Show Theater und Show

Kammertheater reitet Weißes Rössl

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Piefkes als Klappmaulpuppen > Seit einem Jahr ist Ingmar Otto Intendant des Karlsruher Kammertheaters und er hat beileibe keinen Grund, sich über die erste Saison unter eigener Verantwortung zu beklagen: „Es ist ein großes Glück, dass wir in der vergangenen Spielzeit nicht nur selbst mit jeder Produktion zufrieden sein konnten, sondern, dass sie auch allesamt beim Publikum sehr gut liefen.“ Der gewöhnlich in jeder Spielzeit einkalkulierte Flop blieb aus, und mit der „Rocky Horror Show“ landete die private Bühne in der Herrenstraße einen ausgesprochenen Treffer, der sogar das Sommerloch bestens überbrückte.  
 
Insgeheim erwartet der Theatermann mit der Operette „Im weißen Rössl“ an diesen kultigen Erfolg anzuknüpfen, auch wenn die Stückauswahl auf dem Papier erst einmal ein älteres Publikum anvisiert. Doch die Karlsruher Fassung des „Rössl“, das sich seit seiner Premiere 1930 über die Generationen außer in Nazideutschland im jeweiligen Zeitgeist immer wieder breiter Beliebtheit erfreute, soll es in sich haben und kein braver Aufguss der biederen Nachkriegsschmonzette à la Peter Alexander werden. Am Ende, so erhofft sich Otto, könnte auch das jüngere Publikum „Im weißen Rössl“ cool finden. 
 
Als gebürtiger Bochumer ist Ingmar Otto (Foto rechts), der sich den vielgespielten und oft verfilmten Stoff als Regisseur persönlich vorknöpft zwar dem rheinischen Karneval näher als der Trachtenidylle von Wiesn und Wasen, doch hatte er sich, als er nach Süddeutschland zog, vorsorglich ein Trachtenset in den Kleiderschrank gehängt. Damit fühlt er sich auch für die am Wolfgangsee spielende Berliner Operette ums Verlieben und Reibachmachen bestens gewappnet. Gerade die insgeheime Verabredung zwischen Gastgeber und Tourist zum lustvollen Melken und Gemolkenwerden unter die Lupe zu nehmen reizt ihn: „Es ist doch, wie wenn ich einen Erlebnispark besuche. Beim Betreten weiß ich noch, das ist alles nur Fake. Aber wenn ich drei Stunden lang Achterbahn gefahren bin, halte ich es für pure Erholung.“  
 
Um das Bizarre dieses Ungleichgewichts noch zu überhöhen, hat Otto in seiner Inszenierung einen Kniff vorgenommen: Während die österreichischen Gastgeber des „Rössls“ von Schauspielern gemimt werden, übernehmen muntere Klappmaulpuppen die Rollen der deutschen Gäste. Nach dem Vorbild des weltweit erfolgreichen Broadway-Musicals „Avenue Q“, einer Art Sesamstraße für Erwachsene, hat Sandra Denningmann die von Schauspielern zu führenden Klappmaulfiguren gestaltet, die nun den Rechtsanwalt Dr. Siedler, seinen Gegenspieler, den Fabrikanten Giesecke, die von Siedler angebetete Ottilie und den schönen Sigismund geben. Die Spieler haben die Herausforderung gerne angenommen.  
 
Geschult vom niederländischen Komiker und Figurenspieler Gijs Vennix sparen sie so dem Theater nebenbei Kosten, da die vier Puppenakteure jeweils zwei Rollen übernehmen können: „Auch wenn es für jeden Phasen gibt, in denen man den Schaumstoffklotz am liebsten in die Ecke schmeißen würde, haben alle vier sofort gemerkt, wie groß der Reiz der Verfremdung ist. Für die Regie bedeutet das aber auch, viel genauere Absprachen zu treffen, als wir das gewohnt sind.“ Für den Theaterleiter indes bietet das Spiel mit den Puppen auch eine Möglichkeit, ästhetisch einen neuen Weg zu beschreiten und die Grenzen des Kammertheaters auszuloten.  
 
Eine solche Grenzüberschreitung war für das Haus vor zwei Spielzeiten der Einbezug von Theaterlaien in die Produktion „Altes Eisen“. Aus dem einmaligen Projekt entstand so etwas wie ein Seniorentheaterclub, der am 15. November mit seinem zweiten Stück „Diese eine Nacht“ Premiere hat. „Wir haben gemerkt, wie uns diese Theatergruppe und den Teilnehmern das gemeinsame Proben ans Herz gewachsen war, so dass wir im vergangenen Jahr ein neues Stück entwickelt haben.“ Die Premiere findet im K2 statt, einer neuen weiteren Spielstätte des Kammertheaters in der Kreuzstraße: „Hätten wir nicht durch Zufall diesen leer stehenden Gemeindesaal für die Proben zu `King‘s Speech´ entdeckt, hätten wir bestimmt nicht so schnell an Expansion gedacht. Wir und die Spieler waren sofort von diesem Juwel in der Innenstadt sehr angetan und haben zunächst überlegt, ob wir uns und anderen damit nicht zu viel Konkurrenz machen. Aber die Theaterränge sind ja in Karlsruhe allgemein gut gefüllt. Uns bietet die neue Spielstätte vor allem die Möglichkeit, erfolgreiche Produktionen länger auf dem Spielplan zu halten. Und es muss einem nicht so schwindelig werden, wenn einmal ein Abend auf einer Bühne nicht so gut besucht ist, es kann ja sein, dass der andere Saal voll ist.“ Jf 
 
> Im weißen Rössl, bis 3. Nov 2013, Kammertheater, Herrenstraße 30, Karlsruhe 

Kammertheater

Herrenstraße 30/32
76133 Karlsruhe
0721 / 24133 
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