Die Spinner auf Weltreise
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„Am besten wäre es, wenn die Leute aufhörten, sich Gedanken zu machen, wer von uns ein Mensch mit Behinderung oder wer professioneller Schauspieler ist“, sagt Clemens Lennermann. Er ist fast von Anfang an bei den Sp!nnern!, dem inklusiven Theater-Projekt am Karlsruher Sandkorn-Theater. „Die eigentliche Probenarbeit ist gar nicht so sehr anders als mit anderen Ensembles“, sagt Sandkorn-Intendantin Steffi Lackner, die seit über zehn Jahren die Sp!nner! mit viel Herzblut begleitet. „Das Besondere bei den Sp!nnern! aber ist das außergewöhnliche Engagement der Beteiligten und der unbedingte Wille, den Zuschauern etwas von sich selbst zu geben. Die Spieler halten mit ihren Emotionen nicht hinter dem Berg und vermitteln einen sehr speziellen Blick auf die Welt, der häufig sehr treffend ist.“
Mit offenen Armen war sie bei Esther Zeisset von der Karlsruher Lebenshilfe, dem Trägerverein verschiedener Projekte für Menschen mit Behinderung, empfangen worden. „Ich bin schier in Ohnmacht gefallen, als sich mit Steffi Lackner eine professionelle Regisseurin vom Sandkorn-Theater bei uns angekündigt hatte“, erinnert sich die Erzieherin, die zuvor mit einer Gruppe von Menschen mit Behinderung für interne Weihnachtsfeiern kleine Szenen geprobt hatte. Lackner ist sich ihrer Verantwortung bewusst, die Menschen mit Behinderung auf der Bühne nicht Freak-Show-artig auszustellen, und bereitet ihre Spieler daher besonders gründlich vor: „Sie müssen sehr genau wissen, was es bedeutet, auf der Bühne zu stehen, und ein Selbstbewusstsein als Schauspieler entwickeln.“ Auch wenn es für das Publikum niedlich klingen kann, wenn eine Spielerin eine schwierige Redewendung nicht fehlerfrei über die Lippen bringt, so ist es wichtig den Willen zu respektieren, richtig zu sprechen, und dies zu trainieren, bis es eben funktioniert.
Derzeit umfasst die Truppe elf Schauspieler mit und ohne Behinderung, die innerhalb eines halben Jahres gemeinsam mit professionellen Ensemblemitgliedern jeweils ein neues Stück entwickeln. Dass die einzelnen Mitglieder meist über viele Jahre dabei bleiben, ist Konzept: „Es kommt unserer Arbeit sehr entgegen, dass sich die Spieler sehr gut unter einander kennen und vertrauen“, sagt der auf den Rollstuhl angewiesene und nach einem Schlaganfall berufsunfähige Lennermann. Tagsüber arbeiten die meisten Mitglieder in den Hagsfelder Werkstätten, in ihrer Freizeit kommen sie dann ins Sandkorn-Theater, für die Intensivproben müssen sie sich Urlaub nehmen. Vielfach aus der Lebenswirklichkeit der Spieler und Spielerinnen entwickeln sich im Laufe der Zeit improvisativ Themen und Szenen, die sich immer mehr zu einem runden Abend entwickeln. Die Aufführungen können dabei bisweilen recht unterschiedlich ausfallen, schließlich stehen neben den wenigen Profis ausschließlich Amateure mit Handicap auf der Bühne. „Wir wissen schnell wo die kritischen Punkte sind, und da können die Profis Rettungsanker auswerfen“, sagt Lennermann, der betont, dass das Zusammenspiel mit den Berufsschauspielern viel zur Sicherheit beiträgt.
In diesem Herbst brechen D!e Sp!inner mit ihrem neuen Stück zu einer Weltreise auf, weil das Reisen auch unter ihnen immer wieder ein wichtiges Thema ist. Dabei ist freilich nicht alles heitere Kreuzfahrt auf dem Luxusdampfer, auch die Probleme an Grenzen und kriegerische Konflikte in anderen Teilen der Welt fließen ein. Insgesamt bieten D!e Sp!inner!-Abende bei aller kritischen Nachdenklichkeit vor allem wunderbare Unterhaltung, was nicht nur von Schulklassen oder Behindertengruppen geschätzt wird: „Früher saßen vor allem Insider im Publikum, heute kommt zunehmend auch das "normale" Theaterpublikum zu uns“, freut sich Esther Zeisset. jf
> D!e Sp!nner! auf Weltreise, 23.-25. September 2014, jeweils 19 Uhr (25.+26. auch 10 Uhr), Sandkorn-Fabriktheater, Karlsruhe, Kaiserallee 11