Jahresrückblick 2014
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Komisch, gegen Jahresende fällt mir immer wieder der Spruch ein: „Gestern standen wir noch am Abgrund, heute sind wir schon einen Schritt weiter.“ Aber wenn wir schon damals, als ich den Spruch zum ersten Mal zitiert habe, einen Schritt weitergegangen sind, dann befinden wir uns bereits im und nicht mehr am Abgrund. Dafür fühlt sich das Leben hierzulande eigentlich gar nicht so schlecht an, na, jedenfalls für die meisten, aber wehe, wehe, wenn ich auf die Nachrichten sehe. Der Blick auf die Welt kann einem schwerer die Stimmung verhageln als der Blick aus dem Fenster auf das vorherrschende herbstliche Grau. Das mörderische Wüten der islamistischen Krieger in Syrien und Irak, der ausweglos scheinende Ukraine-Konflikt, die Verbreitung des Ebola-Virus, der unaufhaltsame Klimawandel.... Aber Jahresrückblicke, in denen das ganze Elendsszenario ausgebreitet wird, überlasse ich lieber ARD und ZDF. Hier ist mein persönlicher Jahresrückblick über Dinge und Menschen, die mir irgendwie in die Quere gekommen sind, wie zum Beispiel ein Herr mit dem kurzen prägnanten Namen Bono, den man sich auch gut als Hundename vorstellen könnte („Bono bring das Stöckchen. Wo ist das Stöckchen, Bono?“ ). Ja, ich weiß, Bono heißt in Wirklichkeit anders und ist der Sänger und Songschreiber der Band U 2. Ich habe nichts gegen die Musik von U2, wenn sie mir zufällig im Radio entgegenkommt, schalte ich sie nicht einmal aus. Alle Achtung, wie die Jungs den blutigen Nordirlandkonflikt zu einem knackigen Popsong verwurstet haben. „Sunday, Bloody Sunday“, das geht doch ins Ohr und macht gleichzeitig irgendwie betroffen – oder auch nicht. Bono begnügt sich jedenfalls schon lange nicht mehr, die Welt mit seinen Songs zu verbessern, die, nebenbei gesagt, im Lauf der letzten Jahrzehnte nicht besser geworden sind. Unermüdlich reist er um die Welt, um die Mächtigen und Reichen dieser Welt dazu zu bewegen, den Hunger und die Armut zu bekämpfen. Das sichtbare Ergebnis dieser Bemühungen sind Bilder von ihm mit allen möglichen bedeutenden Persönlichkeiten, die so tun, als würden sie ihm zuhören. Nebenbei betätigt er sich als Spendensammler. Von einer Spende seinerseits aus seinem kaum noch überschaubaren Vermögen hat man hingegen noch nichts gehört. Aber der Unterhalt des Privatjets, mit dem er unermüdlich um den Globus reist, ist halt auch sauteuer. Ein Wunder, dass er sich nicht auch noch als Klimaretter betätigt, aber damit würde er sich wohl endgültig der Lächerlichkeit preisgeben. Vor kurzem hat Sir Bob Geldof die Welt mit einer neuen Version seines Weihnachtsliedes „Do They Know It´s Christmas?“ beglückt, diesmal um Geld zur Bekämpfung der Ebola-Seuche zu sammeln. Und nun raten Sie mal, wer von den alten Recken, die schon vor 30 Jahren das Lied geträllert haben, auch diesmal mit von der Partie war: Richtig: Bono. Und wem nützt es im Endeffekt oder wie der Lateiner sagt: "Cui Bono?". Auch richtig: Bono, na jedenfalls seinem riesigen messianischen Ego, das auch die ganze Band zu durchdringen scheint. Mit dem neuesten U2-Album als Gratisdownload wurden Apple-Nutzer zwangsbeglückt. Doch während die Armen in Afrika nicht dagegen protestieren können, dass ihnen Bono seine Stimme leiht, gab es diesmal ordentlich Gegenwind. Ob Bono und seine Mannen begreifen, dass ihre Musik mittlerweile eher zur Beschallung von Ü-30-Partys taugt denn als Soundtrack der Gegenwart? Wohl kaum!
Eine Ausdrucksform unserer Zeit ist zweifellos das Selfie, aus der Hand mit dem Handy oder Smartphone geschossene Selbstporträts, die offenbar den eigenen Narzissmus bedienen. Wen kümmert´s, solange die Selbstinszenierungen im privaten Raum stattfinden. Aber wenn Promis ihre Selfies im Internet verbreiten, sieht die Sache schon anders aus, dann werden mit der Deutung des Gesichtsausdrucks, der körperlichen Verfassung, des Bartwuchses und ähnlichem Seiten gefüllt, dann nimmt die Interpretation eines Selfies von Heidi Klum kaum weniger Raum ein als die neuesten Schreckensnachrichten aus Syrien oder der Ukraine. Na bitte schön, wenn es der eigenen Vermarktung nützt. Richtig problematisch, wenn nicht nur das eigene Gesicht oder, wie in letzter Zeit der eigene Hintern zur Schau gestellt wird, sondern nebenbei auch noch irgendein Mitmensch, am liebsten ein prominenter Zeitgenosse, den man gerade abgegriffen hat. Eine gewisse Übergriffigkeit braucht es nämlich schon, um die eigene Visage zusammen mit der eines Prominenten auf ein Foto zu bannen, das man selber schießt. Und so wird ganz nebenbei etwas sichtbar, was unschöner ist als ein verpickeltes Gesicht in Nahaufnahme, nämlich eine Distanzlosigkeit zu allem und jedem. Ich habe auch schon Selfies mit Merkel und Gauck gesehen, fotografiert von Teenagern, die ihnen offenbar sehr nah gekommen sind. Wenn so die Nähe der Politiker zu den Bürgerinnen und Bürgern aussehen soll, dann würde ich sagen „Lieber nicht“. Mein Respekt gilt eher denen, die für diesen Quatsch, der halt gerade mal im Trend liegt, nicht zu haben sind. Mehr „Sie“ als „Du“, mehr Distanz als Nähe, mehr wohldosierte Misanthropie und weniger Nächstenliebe á la Bono, das wünscht sich Dr.Mabuse für das neue Jahr.
PS. Weit gekommen bin ich jetzt aber nicht mit meinem Jahresrückblick, deshalb folgt im nächsten Heft Teil II.