Abseits des Flüchtlingsstroms
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Die Wölfe kommen wieder. Die Zeichen dafür mehren sich in den letzten Monaten. Das ist eigentlich eine gute Nachricht, die allerdings bei einigen Mitmenschen an tiefsitzende Ängste rührt. Bei Besitzern von Weidetieren dürften sich die Freude darüber ebenfalls in Grenzen halten. Der Wolf ist nunmal kein Vegetarier, sondern ein großer Beutegreifer. „Die Rückkehr des Wolfes“ - was wäre das für ein schönes Thema für kontroverse Zeitschriftenartikel und zahlreiche Talkshows, ein Thema, das sich so schnell nicht erschöpft, denn der Wolf lässt sich Zeit mit der Wiederansiedelung, hie und da wird mal einer gesichtet, beziehungsweise, jemand glaubt, einen Wolf gesehen zu haben, und ab und an wird ein toter Wolf gefunden. Der Stoff für eine öffentliche Wolfsdiskussion würde nicht ausgehen, aber sie kann so recht nicht in die Gänge kommen, denn die sogenannte Flüchtlingskrise lässt wenig Raum für andere Themen. Die Flüchtlingskrise beherrscht die Schlagzeilen, sie dominiert die Talkshows. Der breite, nie versiegende Flüchtlingsstrom drückt nahezu alles andere an die Seite, degradiert, was sonst bei uns und in der Welt passiert, zu Randthemen, es sei denn islamistische Terroristen haben gerade mal wieder in nicht allzu weiter Ferne ein Blutbad angerichtet. Das ist dann auch ein paar Talkshows wert, am besten in der unschlagbaren, wenn auch etwas kurzschlüssigen Verbindung der Themenbereiche „Islamistische Bedrohung“ und „Flüchtlinge“. Was müssen das für eine herrliche unbeschwerte Zeit gewesen sein, als der Problembär Bruno durch Bayern streunte und die nahezu ungeteilte Aufmerksamkeit der Medien erhielt. O wunderbare, herrliche Saure-Gurken-Zeit, als man noch nicht das Gefühl hatte, dass uns die Welt, wie wir sie kennen, demnächst um die Ohren fliegt.
Die Wölfe sind aber nicht die einzigen, die nur ein paar Krümel der medialen Aufmerksamkeit erhalten, die sie eigentlich verdienen (Was die menschenscheuen Tiere im Übrigen nicht weiter juckt). Im Windschatten des allesbeherrschenden Flüchtlingsthema brachten drei Hinterbänkler der SPD, der CDU und der Linken eine Neuregelung der Sterbehilfe im Bundestag auf den Weg, die unter dem Vorwand kommerzielle Sterbehilfevereinen in Deutschland auszubremsen, Ärzten, die mit ständig Schwerstkranken konfrontiert sind, es nahezu unmöglich macht, den Betreffenden zu einem leichteren, schnelleren Tod zu verhelfen, wenn sie nicht mit dem Strafgesetz konfrontiert werden wollen. Was für ein Erfolg im Namen der christlichen Nächstenliebe, so darf man weiterhin in diesem Land elendiglich krepieren, im besten Fall betüttelt von Damen (vor allem) und Herren, die in der Sterbebegleitung so etwas wie ihren eigenen Lebenssinn zu finden hoffen, und mehr schlecht als recht schmerzgedämpft durch eine immer noch unzureichende Palliativmedizin. Da werden Besserverdienende weiterhin den Umweg über die Schweiz nehmen, um kurz und(relativ) schmerzlos ins Nichts zu gelangen. „Es ist unwürdig, das Sterben der Naturgemeinheit zu überlassen, wenn Medizin und Technik es doch menschenmöglich machen könnten“, sagt Martin Walser in seiner etwas gespreizten Altersprosa. Aber wo er recht hat, hat er recht.
Von der Flüchtlingsthematik völlig überlagert werden auch die skandalösen Szenen, die sich seit Jahresbeginn in deutschen Buchhandlungen abspielen. Strenggescheitelte Herren lassen sich zwei dicke Bücher, die offenbar zusammengehören, in Geschenkpapier mit Hakenkreuzsymbolen einpacken, junge Herren in Springerstiefeln und mit rasierten Schädeln blättern sinnend in eben jenen Büchern, die auf dem Bestsellerstapel platziert zum Schmökern einladen. Nicht selten werden Kunden mit dem Ruf „Heil Hitler!“ vorstellig. Wie bitte? Das ist doch alles Quatsch. Relativ sang- und klanglos ist die kommentierte Ausgabe von Hitlers „Mein Kampf“ erschienen und so wird sie in der Regel auch verkauft, auf Nachfrage. Dass die Lektüre dieses Buches irgendeinen unbefangenen Leser in einen Nazi verwandelt, glaubt doch kein Mensch. Ich selbst habe vor Jahrzehnten versucht „Mein Kampf“ zu lesen, nach etwa hundert Seiten hatte ich mehr als genug vom verschwurbelten Geschwafel des Welterklärers A.H.- nein, die Neu-Edition dieser Kampfschrift trägt zur politischen Grundstimmung im Land nichts bei. Und da wären wir wieder bei der Flüchtlingskrise, die man, wenn es nach dem Gusto der Wohlmeinenden geht, gar nicht so nennen darf. Aber da ich dazu schon gesagt habe, was ich zu sagen hatte, mache ich jetzt einfach mal Schluss, gehe in den Wald und halte Ausschau, ob sie auch bei uns angekommen sind, die Wölfe. (Cartoon von Herbie Erb)