Archiv Ausgabe September 2016 Verschiedenes Bücher

Mit den Ohren sehen

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„Man muss den Kindern Geschichten erzählen und darf sie nicht mit Wissen vollstopfen“, sagt Kerstin Unseld. Die Klassik-Redakteurin des Karlsruher Südwestrundfunks (SWR) hat es sich nämlich zur Aufgabe gemacht, Kinder und Jugendliche für klassische Musik zu begeistern. Nun ist sie dafür unter die Schriftsteller gegangen: 
 
Kürzlich ist ihr erstes Buch erschienen, „Man sieht auch mit den Ohren gut“. Es erzählt die Geschichte eines blinden Jungen, der am liebsten im Sessel sitzt und klassische Musik hört. Seinem Hund gefällt das logischerweise gar nicht, tobt er doch lieber über Wiesen. Den beiden wird aber bald eine Aufgabe gestellt, die sie auf magische Weise durch die Jahrhunderte führt und viele Komponisten besuchen läßt, angefangen bei Hildegard von Bingen bis hin zu Arnold Schönberg. 
 
„Es gibt so viele Kinderbücher mit alten, grauen Komponisten auf dem Umschlag, die streng schauen und ganz viel Wissen vermitteln wollen.“ Für Kerstin Unseld passt diese Sicht der Klassik nicht mehr in unsere Welt und auch nicht in die der Kinder: „Ein klassisches Konzert muss nichts mehr mit Stillsitzen zu tun haben, es werden ganz viele neue, moderne Formate erprobt.“ Weshalb, so fragt die Mutter einer zehnjährigen Tochter, darf ein Konzert nicht auch mal fünf Stunden dauern und zwischen den Stücken geht man etwas essen?  
 
Moderne Rundfunkformate hat Kerstin Unseld viele erprobt. Nach ihrem Studium der Musik- und Literaturwissenschaften sowie der Kunstgeschichte baute sie beim Bayerischen Rundfunk das Klassikprogramm für und mit jungen Menschen auf: „Mitmachen, Partiziperen, selbst etwas auf die Beine stellen, das war vor fast zwanzig Jahren revolutionär.“ Sie entstaubte auch das altehrwürdige Sonntagswunschkonzert, führte Rätsel und TED-Abstimmungen ein, und sie lernte viele Jugendliche kennen, die Klassik, Jazz und Rock völlig gleichwertig nebeneinander hören: „Es gibt nur gute und schlechte Musik. Rock ist nicht bäh und Klassik nicht elitär.“ 
 
Gelernt hat sie ihr Handwerk noch während ihres Studiums beim damals neuen Karlsruher „Lernradio“. Die Macher waren fasziniert davon, wie unglaublich viel die Studentin über Opern und Sinfonien wusste: „Mein Schulweg führte an einer Litfasssäule vorbei, auf der Ankündigungen des Staatstheaters klebten.“ Eine kleine Clique von Mitschülerinnen plante mit deren Hilfe täglich ihr musikalisches Freizeitprogramm. Die 1969 geborene Karlsruherin lernte den Journalismus auch bei Tageszeitunges, und sie spielt selbst Geige. Unseld schrieb Hörspiele für Kinder, etwa eines über Gershwins Rhapsodie in Blue. Das Hörspiel nahm sie zusammen mit dem Bariton und Sprecher Thomas Quasthoff auf – alles dreht sich in ihrem Leben um die Vermittlung von klassischer Musik. „Sie gehört in keine Vitrine, und man braucht nicht viel Wissen, um sie zu genießen, sondern nur seine beiden Ohren.“ Und so ist die Idee naheliegend gewesen, einen blinden Jungen die Welt über die Ohren und über die Musik erfahren zu lassen. Mathis, so der Name des Jungen, sieht die Welt über das, was er hört. Und ganz nebenbei vermittelt Kerstin Unseld doch ein paar Fakten über die große, weite Welt der klassischen Musik. - maske 
 
 
> Kerstin Unseld: „Man sieht auch mit den Ohren gut. Eine kleine Reise in die Musik.“, Reihe Hanser bei dtv, 180 Seiten, 12,95 Euro. Für Kinder im Alter zwischen acht und zwölf Jahren.