„Terror“ im Fernsehen und auf der Bühne
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Ferdinand von Schirach ist der Star unter den deutschen Juristen. Er dürfte wesentlich bekannter sein als zum Beispiel der Präsident des Bundesverfassungsgerichts oder der Generalbundesanwalt. (Na, jetzt überlegen Sie mal, wie diese beiden Herren, die in unserem Rechtsstaat eine exponierte Stellung einnehmen, heißen!) Ferdinand von Schirach aber ist omnipräsent, allerdings nicht als Rechtsanwalt, seinen gelernten Beruf hat er vor Jahren aufgegeben, sondern als Autor, als einer, der dem Normalbürger unser Rechtssystem nahebringt, der in prägnant formulierten Geschichten dem Leser Schicksale von Menschen vor Augen führt, die - in welcher Form auch immer - mit dem Gesetz in Berührung gekommen sind. Die Erzählbände „Verbrechen“ und „Schuld“ entwickelten sich zu Bestsellern, nicht zuletzt weil der Autor das Gefühl vermittelte, sie wären aus dem vollen Leben gegriffen, mit ihm selbst als Mitwirkendem oder zumindest unmittelbarem Zeugen. Da mochte man sich hie und da schon wundern, warum ausgerechnet dieser Strafverteidiger die interessantesten Fälle der jüngeren deutschen Rechtsgeschichte geradezu magisch angezogen haben soll. Versuche den Wahrheitsgehalt dieser Geschichten zu überprüfen waren bislang, soviel ich weiß, zum Scheitern verurteilt. Aber sei´s drum. Wenn es nicht wahr ist, so ist es doch gut erfunden. Es spricht nicht gegen den Autor von Schirach, dass er die Fantasie bemüht, wenn der Stoff, den ihm die Wirklichkeit liefert, für eine gute Story nicht ganz hinreicht. Redlicher wäre es allerdings gewesen, den fiktionalen Charakter dieser Geschichten zuzugegeben und nicht ständig Authentizität zu suggerieren. Nachdem sein eigener Erlebnisschatz bzw. das, was er dafür ausgegeben hat, erschöpft war, hat sich von Schirach – nicht ganz so erfolgreich – aufs Romanschreiben verlegt und firmiert neuerdings - höchst erfolgreich - als Theaterautor. Wobei sich allerdings die Frage stellt, ob „Terror“ wirklich bühnentauglich ist. Es ist die Nachstellung einer Gerichtsverhandlung und die Abbildung einer Problemstellung, die von Schirach bereits in einem Essay formuliert hat als Reaktion auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Das kassierte im Februar 2005 einen Paragrafen des Luftsicherheitsgesetzes als verfassungswidrig, wonach der Abschuss eines Verkehrflugzeuges angeordnet werden könne, wenn dieses wie am 11.September 2011 geschehen als Terrorwaffe eingesetzt wird. Die unschuldigen Passagiere würden durch ihre Tötung „als Mittel zur Rettung anderer benutzt, verdinglicht und zugleich entrechtlicht“. Das verstoße gegen die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes, befanden die Karlsruher Richter, die die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit eines Bundeswehrpiloten, der ein entführtes Flugzeug abschießt, ausdrücklich nicht berührten. Dass ein solcher Abschuss nach dieser Entscheidung rechtswidrig ist wie auch ein entsprechender Befehl dazu, mus nicht weiter diskutiert werden. Das Theaterstück „Terror“, dessen heftig beworbene Fernsehbearbeitung ein Millionenpublikum erreichte, suggerierte aber, dass hier ein Bundeswehroffizier befürchten müsse, wie ein gemeiner Mörder abgeurteilt zu werden, weil er seinem Gewissen und einer sachgerechten Lagebeurteilung gefolgt ist, als er ein Passagierflugzeug abschoss, das sein Entführer allem Anschein nach über einem mit 70000 Besuchern gefüllten Fußballstadion zum Absturz bringen wollte. Im Prozess wird versucht die Entscheidungsnot, vor der der Pilot stand, zu verwässern. Hätten die Passagiere nicht in die Pilotenkabine eindringen und den Entführer überwältigen können? Nein, hätten sie nicht! Spätestens seit dem durch einen Copiloten herbeigeführten Absturz einer Lufthansa-Maschine müsste doch jedem klar sein, dass eine von innen verriegelten Pilotenkabine von niemandem zu öffnen ist. Auch dies eine Folge des Sicherheitsbedürfnisses nach dem 11.9., wie man sieht, mit unerwünschten Nebenwirkungen. Überflüssig, ärgerlich und tränendrüsendrückend ist der Auftritt einer Nebenklägerin, der Witwe eines Passagiers, von dem nach dem Abschuß nicht mehr als ein Schuh übrig geblieben ist. Das ist aber wohl immer noch mehr als von ihm nach einem Absturz des Flugzeuges auf das vollbesetzte Stadion zu finden gewesen wäre. Nach diesem Absturz, der vom Piloten verhindert wurde, hätte es noch Tausende Witwen mehr gegeben und die absolute Gewissheit, dass weder die ohnehin aussichtlosen Rettungsversuche von Passagieren und Besatzung noch eine plötzliche Sinnesumkehr des Terroristen das beabsichtigte Unglück abgewendet hätten. Dass die vollbesetzte Allianz-Arena in fünfzehn Minuten zu evakuieren sei, glaubt auch nur die Staatsanwältin. Aber das sind nur Marginalien im Vergleich zum Kardinalfehler des Stücks beziehungsweise des Films: „Der Film tut so, als gebe es im deutschen Strafrecht keinen Unterschied zwischen rechtswidrigem Verhalten und persönlich vorwerfbarer Schuld. Eine Tat kann Unrecht sein, ohne dass der Täter sich schuldig gemacht hat,“ stellt der Jura-Professor Wolfgang Schild fest, der im Fall des Piloten auf einen „übergesetzlichen entschuldigenden Notstand“ plädiert hätte und feststellt, dass das juristische Dilemma, wie es das Stück behauptet, so gar nicht gibt. Eine Auffassung, die von Bundesrichter und „Zeit“-Kolumnist Thomas Fischer geteilt wird, der an von Schirachs Stück kein gutes Haar läßt. Aber ohne dieses konstruierte Dilemma würde das Stück weder auf der Bühne noch im Fernsehen mit einer Abstimmung enden, in der die Zuschauer darüber zu entscheiden haben, ob der Pilot nun „schuldig“ oder „nicht schuldig“ zu sprechen ist. Schuldig gemacht hat sich der Autor der Verkürzung und Verfälschung eines juristischen Sachverhalts zum vermeintlichen Zwecke der Aufklärung.