Beata Anna Schmutz und das Volkstheater
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Seit Beginn seiner Amtszeit am Badischen Staatstheater bringt Intendant Peter Spuhler konsequent Karlsruher auf die Bühne. Nachdem er dem Kinder- und Jugendtheater eine eigenständige Abteilung verschafft hatte, folgte als fünfte Sparte das Volkstheater. Seit diesem Jahr leitet die 1975 in Danzig geborene Beata Anna Schmutz diese Sparte, die auf verschiedene Konzepte der Bürgerbühnen baut. Klappe Auf unterhielt sich mit der Theaterfrau über ihre Vorstellungen und Erfahrungen.
Seit diesem Jahr sind Sie Leiterin einer neuen Sparte am Badischen Staatstheater, dem Volkstheater. Was verstehen Sie darunter?
Beata Anna Schmutz: Dabei handelt es sich um eine neue Kunstform, die auf die Partizipation der Stadtgesellschaft setzt. Es ist mir wichtig, dass Mitwirkung auf Augenhöhe passiert, und dass nicht der Eindruck entsteht, wir hätten ein Angebot, das die Bürgerinnen und Bürger annehmen sollten. Im Gegenteil, ohne ihre Themen, ihre Geschichten und vor allem auch ihre persönliche Präsenz ist das Volkstheater nicht denkbar. Es ist schon außergewöhnlich und noch relativ selten, dass ein Haus wie das Badische Staatstheater, die Bürgerbühne, wie das andernorts genannt wird, als vollwertige Sparte verankert.
Mit der Spielzeit starteten eine ganze Reihe von Theaterlaboren. Wie liefen diese an und was unterscheidet sie von den klassischen Theaterclubs?
Schmutz: Neben unseren Inszenierungen sind die Labore eine zweite Stütze der Sparte, die den Menschen mit verhältnismäßig kleinem Aufwand ermöglichen, Theaterkunst zu erforschen. Wir haben neun unterschiedlich ausgerichtete Labore, die sich etwa mit Bewegung zu Livemusik, mit Objekten und Materialien oder dem Einsatz unterschiedlicher Medien beschäftigen. Dabei geht es anders als in den klassischen Spielclubs nicht darum Stücke und Rollen einzustudieren. Obwohl der Zuspruch gut ist und fast alle Erwachsenengruppen generationenübergreifend besetzt sind, sind wir für weitere Teilnehmer und auch inhaltliche Vorschläge noch sehr offen.
Gerade haben Sie mit jungen Karlsruherinnen und Karlsruhern mit Migrationsgeschichte Saša Stanišics „Wie der Soldat das Grammophon reparierte“ inszeniert. In wieweit sind solche Produktionen mit professsionellem Schauspielertheater künstlerisch vergleichbar und inwieweit nicht?
Schmutz: Wir beschreiten hier neue künstlerische Wege und sind auf der Suche nach einer neuen Ästhetik. Es geht dabei nicht darum, dass die Mitwirkenden wie Schauspieler agieren. Wir hecheln keinesfalls hinter den Profis her, sondern setzen an den Schnittstellen zu den Biografien der Beteiligten an, bei den Themen, die wir als wichtig empfinden und die unsere Gegenwart prägt. Unser Schwerpunkt ist die Recherche. Das Volkstheater ersetzt keinesfalls das klassische Schauspiel, sondern ich sehe das als eine wichtige Ergänzung. Natürlich erwartet das Publikum von uns zunächst das, was es gewohnt ist, und auch bei der Kritik gibt es manche Missverständnisse. Aber das muss man aushalten, wir vertreten eben noch eine sehr junge Kunstform.
Wie sehen Sie in solchen Arbeiten Ihre Rolle, das traditionelle Bild der Regisseurin reicht ja wohl nicht aus?
Schmutz: Ich setze künstlerische Impulse und entwickle Ideen, die ich dann mit den Menschen überprüfe. Die Inhalte sind die Geschichten, die uns die Menschen schenken. Diese wertvollen Geschenke zu ordnen ist meine Aufgabe. Ich verstehe mich da gerne als Kuratorin, vielleicht auch weil ich ausgebildete Kunstwissenschaftlerin bin.
Bürgerbühnen, Theater mit Experten des Alltags, viele Häuser sind in den vergangenen fünf Jahren auf diesen Zug aufgesprungen. Ist dies eine vorübergehende Mode, oder was spricht dafür, dass es sich dabei um eine dauerhafte Entwicklung handelt?
Schmutz: Ich glaube nicht, dass es sich um eine Mode handelt, vielmehr sind die Bürgerbühnen eine konsequente Folge der Kunst- und Theaterentwicklung der vergangenen drei Jahrzehnte. Zum einen des postdramatischen Theaters der 80er und 90er Jahre, dass sich in der Abkehr vom klassischen Drama dokumentarischen, biografischen und immersiven Formen zuwandte. Zum zweiten der Entwicklung der Theaterpädagogik die heute an jedem Theater eine Selbstverständlichkeit ist, und den Theatergängern durch reflektierte Rezeption und aktives Spiel neue Horizonte erschließt. Und zum dritten der allgemeinen Entwicklung der Kunst, die mehr denn je aus dem Leben schöpft.
„Inschrift Heimat“ ist ein großangelegtes Projekt, das zu den Heimattagen 2017 fertiggestellt wird. Im Dezember geht es in seine zweite Phase. Wie funktioniert das, wie sind die bisherigen Erfahrungen und was soll am Ende dabei heraus kommen?
Schmutz: Im Laufe der Spielzeit begeben wir uns mit unserer Forschungsstation an fünf unterschiedlichen Stellen Karlsruhes den Begriff Heimat zu erkunden. Bei unserer ersten Station im Multikulti-Viertel Südstadt waren wir sehr überrascht wie gut das Projekt besucht wurde und wie bereitwillig die Menschen mit uns über ihre Vorstellung von Heimat sprachen, mal poetisch, mal kontrovers. Im Dezember sind wir nun in Oberreut, wo die Communities noch wesentlich getrennter voneinander leben und verschiedene Alltagssprachen gepflegt werden. Es ist unsere Vermutung, dass wir hier auch besondere Konstruktionen von Heimat vorfinden. Die wichtigsten Ergebnisse aller Stationen werden wir mitnehmen und gebündelt am 24. Juni und 13. Juli 2017 auf die Bühne bringen.
> „Inschrift Heimat“ Forschungsprojekt zu Heimaten im Stadtraum, 5.-17. Dezember 2017, Julius-Leber-Platz, Karlsruhe-Oberreut
Badisches Staatstheater
Hermann-Levi-Platz 1
76137 Karlsruhe
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