Victor Gardon > Brunnen der Vergangenheit
An das Schicksal des armenischen Volkes wurde vor einigen Monaten durch die Resolution des Bundestages und die offizielle Bezeichnung als Völkermord wieder erinnert. Ein passender Anlass, den von einem armenischen Autor schon vor über 50 Jahren geschriebenen autobiographischen Roman zu diesem Thema neu zu veröffentlichen. Im Mittelpunkt dieses erzählerischen Meisterwerkes steht der Armenierjunge Wahran in der Altstadt von Van. Durch dieses Stilmittel kann Gardon aus kindlicher Sicht das Unverständnis für die Ungerechtigkeiten und die sinnlosen Gräueltaten darstellen. Als weiteren starken Kontrast zur Bedrohung und Gewalt setzt er anfangs stark auf die Schilderung traditioneller Lebensweisen und lässt durch sehr viele kurze Naturbeschreibungen dem menschlichen Wüten ein übergeordnetes schönes Element gegenüber treten.
Die Geschichte beginnt mit verhaltener, aber misstrauischer Ruhe. Nach vielen Massakern und Zerstörungen scheint durch den Sturz des türkischen Sultans ein friedliches Zusammenleben zwischen Türken und Armeniern möglich. Offiziell haben nun alle die gleichen Rechte. Doch dass auch die neuen Türken die anderen Volksgruppen in ihrem Land unterdrücken und bekämpfen wollen, wird bald klar. Nach Ausbruch des ersten Weltkriegs beginnen auch innerhalb der Türkei neue Kämpfe, bei denen die Armenier anfangs scheinbar keine Chance zum Überleben haben. Doch mit einem vorübergehenden Sieg über die Türken und dem Einmarsch der Russen scheint am Van See endlich der Friede einzukehren. Auch diese Hoffnung weicht sehr schnell der schrecklichen Gewissheit, dass nun alles sogar noch schlimmer wird. Als russische Truppen im Garten der Familie einquartiert werden und diesen zerstören, ja sogar die Natter getötet wird, die von allen als Schutzgeist des Hauses betrachtet wird, ist klar, dass das Ende naht. Und tatsächlich müssen bald alle Armenier aus der Gegend fliehen, für die meisten ein Marsch in den Tod. Ein ergreifendes Buch über ein fast vergessenes Kapitel Weltgeschichte. -gk > Unions-Verlag, 496 Seiten, 18,95 Euro oder als E-Book 14,99 Euro