Archiv Ausgabe Januar 2021 Verschiedenes Filme

Ein Dreh im Schnee - Teil 1

Eine Kolumne von Nadine Knobloch

Es war einmal ein Dreh im Schnee. Flocke um Flocke rieselt herab. Stundenlang. Ohne Unterbrechung. Die Außentemperatur im Höchstwert bei - 17°C. Ich stehe im Wald, der Schnee reicht mir bis zu den Knien, irgendwo im Alpenvorland. 
Vorbereitung. 
 
Ansage des Regisseurs an Cast und Crew: „Zieht Euch warm an, wir sind den ganzen Tag im Freien!“. Diesem Rat folgend, stehe ich am Vorabend vor meinem Kleiderschrank, der eigentlich eine Kommode ist. Die Frage treibt mich um: „Was gibt meine spärliche Garderobe denn alles so her?“ Ich krame mich durch sämtliche Klamotten, die ich in meiner Ein-Zimmer-Dachwohnung habe. Kleidungsstück um Kleidungsstück werfe ich hinter mich bis ich mich einmal durchgewühlt habe. Als ich mich umdrehe, liegt ein wilder Haufen Textilien zu meinen Füßen. Ich lege alles ordentlich zusammen und beschließe, heute früher ins Bett zu gehen. Irgendetwas sagt mir, der kommende Tag könnte unter Umständen ein ganz klein wenig anstrengender werden als gewohnt. Im Halbschlaf sehe ich noch große, weiße Wolken vor meinem Fenster aufziehen. 
 
Der nächste Morgen. Ich stehe mit meiner Tasse Kaffee in der Hand vor meinem Kleiderhaufen. Auf frische Luft und Tageslicht muss ich fürs Erste verzichten, hat der einsetzende Schneefall der vergangenen Nacht doch dafür gesorgt, dass alle meine Dachfenster unter einer solchen Schneelast liegen, dass das Öffnen erst gar nicht möglich ist. Zugefroren sind sie zudem. Stattdessen finde ich einen Lichtschalter, von dem ich gar nicht wusste, dass ich ihn besitze. 
 
Ich nehme ein Kleidungsstück nach dem anderen von meinem sorgfältigen Haufen und ziehe mich an. Auf Unterhemd folgt Unterhemd, ein weiteres Unterhemd, dann ein Trägershirt, darauf ein Langarmshirt, dann noch ein Langarmshirt getoppt von Thermounterwäsche. Darüber ein dünner Pulli, ein dicker Pulli, eine Strickjacke und zum Abschluss ein Fleecepulli. Gleiches Prinzip gilt für die Beine: dünne Strumpfhose Nummer 1, dünne Strumpfhose Nummer 2, dicke Strumpfhose, erste Leggins, Socken, zweite Leggings, Thermoleggings, Wollsocken und darüber eine simple Jeans. Ich wundere mich, dass ich überhaupt noch in die Jeans hineinkomme und danke wem auch immer dafür, das Stretchmaterial erfunden zu haben. An der Haustür streife ich mir noch einen dünnen Schal, einen dicken Schal, meinen Wintermantel, gestrickte Handschuhe und Skihandschuhe über. Bei einem zufälligen Blick in den Spiegel lässt sich nicht leugnen, dass ich dem Begriff „Zwiebeltechnik“ eine ganz neue Bedeutung gebe. 
 
Noch was? Ach ja, Schuhe. Wo sind meine Schuhe? Vor lauter Klamottendichte, die mich umgibt, fällt es mir schwer zu sehen, was direkt unter meiner Nase liegt. Doch das ist nicht das einzige Problem. Ich stelle fest: Schuhe anzuziehen, gestaltet sich unter diesen Umständen als eher schwierig. Meine Mitfahrgelegenheit meldet sich. Sie wartet schon unten. Ich schreibe ihr schnell eine Nachricht, ich wäre gleich da. Nach einem Kampf Mensch gegen Schnürstiefel, den ich klar gewinne, schaffe ich es endlich aus meiner Wohnung und fühle mich wie eine Mischung aus Michelin-Männchen und dem Marshmallow-Man aus Ghostbusters. 
Als ich im Fahrstuhl nach unten stehe, den ich komplett ausfülle und in den zum Glück niemand zusteigen will, denke ich mir, ich bin jetzt 
schon völlig fertig. Und der Tag hat noch nicht einmal richtig begonnen. 
 
In Gedanken gehe ich nochmals den Drehplan für heute durch, ehe ich mich aus dem Fahrstuhl quetsche, ins Auto steige und wir in Richtung Süden über die frisch vom Schnee befreiten Straßen losfahren...