Stillstände -Das Gedächtnis der Kriegskinder
Die kleine Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften an der Uni Karlsruhe hatte ihre Hochzeit in den 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre. Der Germanist
Götz Großklaus (geboren 1933) stand dabei immer ein wenig im Schatten von Größen wie Hans Lenk, Bernhard Schäfers oder Jan Knopf. Er forschte nämlich immer ein wenig abseits und interessierte sich für Mediengeschichte oder die interkulturellen Dimensionen von Philologie. Eine Frage, die ihn zeitlebens beschäftigte, war, wie „Raum“ und „Zeit“ in der Literaturgeschichte ästhetisch umgesetzt wurden.
Nun blickt Großklaus in einem schmalen Band auf sein eigenes Leben zurück. „Stillstände. Das Gedächtnis der Kriegskinder“, betitelt er seine Erinnerungen und spiegelt diese rückblickend auf seine Forschungstätigkeit, hat ein „Stillstand“ doch sowohl eine räumliche als auch zeitliche Dimension. In den kurzen Kapiteln greift er Episoden auf, in denen sein Leben zu einer Art Stillstand kam. Erstmals 1944, als seine Heimatstadt in Schutt und Asche gelegt wurde, später als Schüler und Student in der Wirtschaftswunderzeit, als Gastdozent in Kairo und am Ende des Bändchens beim Mauerfall, den er passiv, still stehend medial vermittelt wahrnahm – wie die meisten Deutschen im Fernsehen.
Nun, es geht nur selten gut, wenn hochbetagte Wissenschaftler plötzlich aus ihrem Leben plaudern. Doch Götz Großklaus kann erzählen! Sehr eindrücklich sind Szenen, wie einer seiner Lehrer zu Unterrichtsbeginn sein Glasauge aufs Pult legt oder der Jungwissenschaftler sehr irritiert und sozusagen als Nachfahre der europäischen Kolonialisten vor den Monumenten Ägyptens steht. Großklaus schildert nüchtern und präzise und schafft es nebenbei, die Geschehnisse kulturgeschichtlich einzuordnen, und zwar außerordentlich leichtfüßig, nie besserwisserisch und manchmal ein wenig melancholisch. -maske
> Götz Großklaus: Stillstände. Das Gedächtnis der Kriegskinder. Lindemanns Bibliothek, 124 Seiten, 13,90 Euro