Basta mit Pasta
Schmeißt die Nudeln aus den Einkaufsregalen, die Marco Polo vor rund 700 Jahren aus China nach Venedig brachte, auch wenn einige meinen, dass bereits die Etrusker Nudeln in ihren Töpfen hatten. Das macht die Sache auch nicht besser. Zerkratzt die LPs der Beatles mit ihren Anleihen an die indische Musik, ebenso die Musik von John Cage mit den Einflüssen klassischer japanischer Musik. Ganz wichtig und nicht zu vergessen: zieht allen Nichtbayern und Nichtbayerinnen die Lederhosen aus.
Genau - es geht um kulturelle Aneignung, diesen modischen Vorwurf, der gerade Karriere macht. Dabei gilt: Je schlichter das Gemüt, umso größer die Empörung. Kabarettist Winfried Schmickler ist ein sprechendes Beispiel dafür. Es geht auch anders, wie Gero von Randow in seinem lesenswerten Artikel „Wem gehört’s?“ auf Zeit Online Artikel zeigt:
„Die Kultur ist ununterbrochene Verarbeitung von Einflüssen und damit Selbstveränderung. Aneignung des Fremden und Verwandlung in Eigenes. Es gibt überhaupt kein kulturelles Phänomen, das nicht als ein solcher Aneignungsprozess verstanden werden kann.“
… und weiter: „Jazz, Blues, Rock und alles, was dazugehört: kulturelle Aneignung par excellence. Gesänge der Baumwollsklaven nahmen Motive europäischen Kirchengesangs auf, Bluessänger entdeckten die Richter-Mundharmonika, …Jazzmusiker übernahmen Anregungen von Igor Strawinsky und Paul Hindemith. Die Aneignung ging beide Richtungen; kein Jazzer wäre jemals auf die Idee gekommen, etwa dem Wiener Keyboarder Joe Zawinul "kulturelle Aneignung" vorzuwerfen, obwohl er auf den Aufnahmen mit der Band von Cannonball Adderley wie jemand klingt, der das Klavierspiel in einer schwarzen Baptistengemeinde gelernt hat. Später spielte Zawinul mit Miles Davis, selbst ein Weltmeister kultureller Aneignung.“
Wenn es das Virus zulässt - und zum Glück sieht es danach aus - kann man, wie an den vielen, kommenden Veranstaltungen in diesem Heft zu sehen ist, es herrlich genießen, wie wunderbar die kulturelle Aneignung funktioniert und wie viel Freude sie bereitet. Viel Vergnügen dabei.