ZeitGenuss
Festivals für Musik unserer Zeit
Rebecca Saunders wünscht sich Neugier und Offenheit > Anfang der 90er Jahre zog eine "Chiffre" von Wolfgang Rihm die angehende Komponistin von Edinburgh nach Karlsruhe, um ihre musikalischen Studien fortzusetzen. Hier schuf
Rebecca Saunders (Foto) ihren zehnminütigen Klangrausch für Trompete, Harfe, Klavier und Cello "Behind the Velvet Curtain", der weithin Beachtung fand und als Grundstein ihrer Karriere gelten kann. Heute ist die 1967 in London geborene Rebecca Saunders eine der bedeutendsten europäischen Komponistinnen. Auch wenn sie mittlerweile seit über 20 Jahren in Berlin lebt, hat sie die Verbindung zu Karlsruhe nie ganz abgebrochen. 2012 etwa hatte die Britin eine Auftragskomposition zur Eröffnung der Europäischen Kulturtage, jetzt ist sie die Kuratorin und Mittelpunkt der neunten Ausgabe des ZeitGenuss-Festivals für Musik unserer Zeit.
"Zeitgenuss hat sich mittlerweile etabliert und bringt Karlsruhe zum Klingen, denn es ist ein Festival in der Stadt und für die Stadt", betont
Hartmut Höll der Rektor der Hochschule für Musik, die gemeinsam mit der Stadt das Festival verantwortet, und mit dem Staatstheater, der HfG, dem ZKM, Evangelischer Stadtkirche und Christuskirche sowie der Kinemathek weitere Spielorte und Mitstreiter hat. Innerhalb von vier Tagen gibt es ein dichtes Programm sehr kontrastreicher Konzerte mit etablierten Komponisten wie
Georges Aperghis, Iannis Xenakis, Galina Ustwolskaya und natürlich
Wolfgang Rihm sowie künstlerischem Nachwuchs wie den Studierenden der Rihm- und Hechtle-Klasse an der Karlsruher Hochschule, aber auch eine Klanginstallation sowie Filme und Künstlervideos.
Dabei werden außermuskalische Bezugspunkte zur Kunst von Rebecca Saunders deutlich, etwa wenn am Samstag, 23. Oktober, im ZKM Videos der legendären Performances von Marina Abramovic und Ulay aus den 70er Jahren im Film-Loop laufen, oder am Auftakttag in der Kinemathek ein dramatischer Monolog von Samuel Beckett zu sehen ist, bei dem sich die Komponistin am tiefsten verstanden fühlt. Im selben Programm laufen auch zwei Videoarbeiten der kroatischen Komponistin und Soundkünstlerin
Sara Glojnaric, die Saunders in ihrem Festival-Programm besonders vorstellen möchte: "Als ich ihr 2016 erstmals begegnete, war ich stark beeindruckt, mit welch unglaublicher Energie sie sich künstlerisch mit gesellschaftlichen und politischen Fragen auseinandersetzt", so Saunders, der es auch wichtig war, neben Konzerten mit akustischer Musik auch elektronische Musik einzubeziehen und das ZKM mit im Boot zu haben. So sind neun Programme und ein Künstlerinnen-Gespräch entstanden, die Saunders Werke in Beziehung zu Vorbildern und Nachfolgenden, Einflüssen und Inspirationen setzen. Insgesamt elf Kompositionen werden erstmals in der Öffentlichkeit gespielt und erfordern die Neugier und Offenheit, die sich Saunders von ihrem Publikum wünscht. Das Auftaktkonzert mit dem berühmten
Ensemble Modern unter der Leitung von
Enno Poppe sowie der Sopranistin
Sarah Maria Sun verbindet am 21. im Wolfgang-Rihm-Forum Instrumentalwerke mit Musik für die solistische Stimme.
"ZeitGenuss ist der Auftakt des Zurückkommens der Musik in die Öffentlichkeit, nachdem wir anderthalb Jahre unserer Lebenszeit verloren haben", wünscht sich Hartmut Höll. ZeitGenuss indes soll künftig nur noch alle zwei Jahre stattfinden. Eine Sparmaßnahme der Stadt, keine Frage, die jedoch eine angemessenere Vorbereitungszeit erlaubt und dabei das Budget für das einzelne Festival zudem etwas aufstockt.
21. bis 24. Oktober, Karlsruhe, Schloss Gottesaue und andere Orte, www.hfm.eu, Vorverkauf ab 11. Oktober