Archiv Ausgabe Juli 2023 Musik Rund um Musik

Das Fest

Ein Mann mit Leitung: Markus Wiersch

"Beim Fest angefangen hab ich als Küchenhelfer", erinnert sich Markus Wiersch. Das war 1992, als der ausgebildete Erzieher und Schreiner beim Jubez als Werkstattleiter angeheuert hatte. Bald schon war er in der Günther-Klotz-Anlage für Bauten und Infrastruktur zuständig. Doch inzwischen hatte er wohl fast jede Position, die man beim Karlsruher Kultfestival einnehmen kann, ausgeübt. Nur als Künstler sei er nie auf der Bühne gestanden und am Getränkestand sei er auch niemals gestanden.  
 
Nach der Festival-Tragödie 2000 in Roskilde, bei der neun Menschen ums Leben kamen, rückte das Thema Sicherheit plötzlich in den Fokus der Musik- und Festivallandschaft, und Wiersch war einer der ersten, der sich auf europäischer Ebene fortbildete und vernetzte. Die heutige Rolle des stellvertretenden Geschäftsführers der Karlsruhe Marketing und Event GmbH beim Fest ist die des Projektleiters: "Es gibt eigentlich nichts Wesentliches beim Fest, das nicht über meinen Schreibtisch geht." Dass Wiersch mittlerweile der einzige im Team ist, der das Fest seit mehr als drei Jahrzehnten von innen heraus kennt und fast alles selbst einmal gemacht hat, kommt ihm zu Gute, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen, aber auch eine neue Generation heranzuführen, die ihr Rüstzeug eher auf der Eventakademie als durch die praktische Selbsterfahrung erworben haben. 
 
Vor drei Jahren musste der Sicherheitsexperte eine neue Art der Gefährdung kennenlernen, die kurzerhand für zwei Jahre das Fest lahm legte: "Sicherheit hat immer neue Themen", so Wiersch, "doch unser größtes Thema war und bleibt das Wetter." Dazu zählen nicht nur Stürme oder Gewitter, sondern auch die Hitze und Trockenheit, wie sie zuletzt im vergangenen Jahr registriert wurde. "Uns hat besonders auch die Staubentwicklung zu schaffen gemacht, die bei nicht wenigen zu Atemwegsproblemen führte", so Wiersch. Außer Wetter und Pandemie war zwischenzeitliche auch die Terrorgefahr zum Thema geworden. In allen Fällen half Wiersch, der selbst im Steering Comitee der zahlreiche europäische Festivals vereinenden Youropean Event Safety Group aktiv ist, die Vernetzung mit europäischen Partnern. "Gerade in der Pandemie sind wir online sehr viel enger zusammengerutscht und haben uns darüber ausgetauscht, wie sich das Besucherverhalten verändert hat. Schließlich haben die Menschen durch zwei verlorene Jahre einen blinden Fleck. Wer 2022 als 16-Jähriger zum Fest kam, hatte im Bezug auf Großveranstaltungen den Erfahrungshorizont eines 14-Jährigen." 
 
Doch die Karlsruher seien in dieser Hinsicht in einer privilegierten Situation, da sie beim auch als Familienfest aufgestellten Fest von Kindesbeinen schon auf dem Mobi-Rummelplatz das Verhalten in Menschenmengen und auf Großveranstaltungen trainieren könnten, so Wiersch. Nicht nur in dieser Hinsicht sei das Fest eine außergewöhnliche, besonders breit aufgestellte Veranstaltung, die einen sehr sozialen Umgang pflege und einen ganz besonderen Spirit in sich trage: "Es ist die Frage, ob sich die Festivals mit teuren Eintrittspreisen, teuren Künstlern aber wenig Service nicht überholt haben. Zumindest ändern derzeit nicht wenige Festivals ihre Struktur in Richtung unseren Konzepts", so Wiersch. 
 
Dass das Fest nach der Pandemie um einen Tag verlängert an den Start geht, ist das Ergebnis eines Fest-neu-denken-Prozesses, den Wiersch unter den jungen Mitarbeitern angeregt hatte. Die Neuerung hat sich für den Projektleiter mehr als gelohnt: "Es geht nicht darum, größer zu werden, sondern mehr Ruhe hineinzubringen und den Servicegedanken zu stärken." Unterm Strich konnte die Gastronomie, die immer noch einen Gutteil des Festival-Budgets einnehmen muss, ihre Umsätze steigern. Bestimmte Peaks im BesucherInnenaufkommen wurden vermieden und das Risiko eines Regentages verteilt sich nun auf vier Tageskonten.