Literatur Offensiv!
Ein Gespräch mit Prof. Dr. Hansgeorg Schmidt-Bergmann (Foto rechts) und Matthias Walz (Foto links) von der Literarischen Gesellschaft anläßlich der Literaturtage Karlsruhe
Sind seit den Literaturtagen des letzten Jahres neue Kooperationspartner hinzugekommen? Wer ist dieses Jahr dabei?
Hansgeorg Schmidt-Bergmann: Zu unserer Freude beteiligen sich zahlreiche bewährte Kulturinstitutionen der Stadt an den diesjährigen Literaturtagen Karlsruhe. So sind beispielsweise das Badische KONServatorium, das Badische Landesmuseum, die GEDOK Karlsruhe, die Hochschule für Gestaltung, der Stadtjugendausschuss Karlsruhe mit dem jubez, der KOHI-Kulturraum, die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, die Stadtbibliothek im Neuen Ständehaus oder die Volkshochschule Karlsruhe, um nur einige zu nennen, mit Programmpunkten vertreten. Eines unserer Ziele bei der Umsetzung der Literaturtage ist es, die lokalen Literaturinitiativen zu stärken, Autorinnen und Autoren aus Karlsruhe und Umgebung eine Plattform für ihre Texte zu geben. Dieses Angebot wird sehr gut angenommen, wie die Teilnahme der Schreibinitiativen wie das Brot und Kunst-Autorenkollektiv, die Literatenrunde oder die „Wahrhaft Schwachen“ zeigen. Gleichzeitig begrüßen wir mit der Kreativschreibgruppe KITeratur, dem Karlsruher-Literatur-Automaten-Kollektiv (KLAK) oder der „wirkstatt e.V. – Forum für Erlebenskunst“ seit dem vergangenen Jahr auch neue Kooperationspartner und freuen uns auf und über die Zusammenarbeit.
Sind neue, besondere Aufführungsorte dazugekommen?
Matthias Walz: Es gibt Veranstaltungen an eingeführten Orten wie dem Badische Staatstheater – im dortigen Großen Haus werden die Literaturtage traditionsgemäß mit dem Poetry Slam „Dead And Alive“ eröffnet – oder der Lesebühne „An WOrt und Stelle“ der Badischen Landesbibliothek, die sich mit ihrer letzten Ausgabe am Dienstag, 17. Oktober nach über zehn Jahren verabschiedet. Besondere Orte für die Kultur wie das NUN, das Bücherland oder das leih.lokal sind auch in diesem Jahr wieder dabei. Mit dem Atelierhaus am Grötzinger Schloss Augustenberg, der Galerie N6 in Grötzingen, der Freien Waldorfschule Karlsruhe und dem Fichte Gymnasium, der Orgelfabrik, dem BUZO Umweltzentrum, dem Café Kaffeeland und Schokoglück in Durlach, dem Blumenladen „Die Kornblume“ und der Stadtkirche Karlsruhe haben wir neue Aufführungsorte hinzugewinnen können, die sich in diesem oder dem vergangenen Jahr das erste Mal im Rahmen der Literaturtage präsentieren. Der Bücherbüffet-Laden ist umgezogen. Die etwas andere Buchhandlung findet man nun in der Nordweststadt. Und mit der Lift-Lesung in der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe haben wir einen Klassiker, was Format und Ort betrifft, wieder mit ins Boot geholt.
Wer hat die Autoren und Autorinnen ausgesucht, die im Prinz-Max-Palais lesen werden und warum gerade diese?
Hansgeorg Schmidt-Bergmann: Die Literarische Gesellschaft hat die Karlsruher Literaturtage initiiert, nachdem wir 2012 die Baden-Württembergischen Literaturtage für Karlsruhe haben erfolgreich druchführen können. Wir nehmen bei der Zusammenstellung des Festivals die literarischen Programmvorschläge aller Beteiligten gerne in das Gesamtprogramm auf. Verantwortlich für die Umsetzung der konkreten Beiträge und die Bespielung von kulturellen Orten sind die literarischen Gruppierungen, Initiativen, Institutionen und Autorinnen und Autoren selbst. Über die Auswahl des Programms der Literaturtage im Museum für Literatur im PrinzMaxPalais entscheiden wir als Team. Mit den Literaturstipendiatinnen und -stipendiaten des Landes Baden-Württemberg, mit der Karlsruher Hermann-Hesse-Literaturpreisträgerin von 2016 Angelika Klüssendorf oder den in Karlsruhe geborenen Autoren Matthias Politycki oder Volker Kaminski haben wir eine Bandbreite an junger und etablierter Gegenwartsliteratur zu Gast im PrinzMaxPalais. Eine Besonderheit ist es, dass wir Pulitzer-Preisträger Richard Ford in Karlsruhe zu Gast haben. Der renommierte US-amerikanische Erfolgsautor kommt in diesem Jahr nur für fünf Lesungen nach Deutschland, eine davon in Baden-Württemberg – und die findet bei uns statt.
Hatte der Krieg in der Ukraine Auswirkungen auf die Gestaltung der Literaturtage?
Matthias Walz: Die Aufgabe der Literaturtage ist es, ein Forum zu bieten. Es geht den Beteiligten darum, ihre Texte vorzustellen. Hier wollen wir nicht konzeptuell nicht eingreifen. Dass der 24. Februar 2022, der Beginn des Vernichtungskrieges gegen die Ukraine, Auswirkungen auf uns alle hatte und hat, ist unbestritten – und spiegelt sich zum Teil auch in den Texten wider. Wir leben im Krieg in Europa und niemand weiß, wie und wann er endet. Es gibt ökonomische, politische und gesundheitliche Unwägbarkeiten. Wir leben seit Jahren in einer permanenten Krise. Man wird nicht nur bei diesen Literaturtagen beobachten, welche Rolle Literatur im aktuellen und politischen Diskurs spielt und wie die Autorinnen und Autoren die Krisen erfahren und literarisch verarbeiten.
Wird es eine besondere Gedenkveranstaltung zu Ehren des verstorbenen Martin Walser geben, der Mitbegründer ihrer Literaturzeitschrift allmende war? Und gedenken Sie auch Wilhelm Genazino mit einer Veranstaltung?
Hansgeorg Schmidt-Bergmann: Beide Autoren haben im Rahmen der Baden-Württembergischen Literaturtage in Karlsruhe gelesen. Sie waren Freunde des Hauses. Martin Walser hat nicht nur die Literaturzeitschrift allmende mitbegründet, welche die Literarische Gesellschaft herausgibt und redaktionell betreut; er war einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller. Wir sind derzeit dabei, die kommende Ausgabe der allmende, die sein Wirken thematisiert, zu konzipieren. Sie wird im Winter erscheinen. Zu Wilhelm Genazino haben wir Anfang des Jahres bereits eine Veranstaltung umgesetzt – eine Hommage an den letzten Flaneur, der 2023 seinen 80. Geburtstag gefeiert hätte. Ihre Werke bleiben präsent im Museum für Literatur im PrinzMaxPalais.