Archiv Ausgabe März 2012 Verschiedenes Meldungen

Medientheoretiker Wolfgang Ullrich

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Umgang mit Kunst

Schon Albrecht Dürer hat seine Werke selbst auf Messen verkauft. 
 
Als Kunstwissenschaftler und Medientheoretiker gilt der 1967 geborene Münchner Wolfgang Ullrich als Experte für den Umgang mit der Kunst und als Vertreter streitbarer Thesen zu Kunst, Konsum und Gesellschaft. Im Vorfeld der art Karlsruhe, bei der Ullrich am 8. an einer Podiumsdiskussion teilnimmt, unterhielt sich Johannes Frisch für die Klappe auf mit dem Autor und Professor an der Karlsruher HfG. 
 
Was unterscheidet die Atmosphäre auf einer Kunstmesse sagen wir von der einer Gebrauchtmaschinenmesse, oder auch von der auf einer Automobilausstellung´ 
 
Wolfgang Ullrich: Ich war selbst noch nie auf einer Gebrauchtmaschinenmesse, vermute aber, dass hier in erster Linie ein Fachpublikum unter sich bleibt. Das ist auf der Kunstmesse anders, wo ein relativ kleines professionelles Publikum von Sammlern, Galeristen, Kuratoren, Kunstvermittlern und -kritikern einem großen Andrang von Schaupublikum gegenübersteht. Bei der Automobilmesse hingegen gibt es neben den Profis eine große Anzahl von Freaks, die zwar nicht von Berufs wegen kommen, aber große Teile ihrer Freizeit den Autos und ihren technischen Details widmen. Diese haben ein großes emotionales Interesse und so herrscht eine ganz andere Aufgeregtheit als auf der Kunstmesse, wo ja auch vieles zu sehen ist, was eher verwundert und nicht so eingängig ist. Hier sieht man Menschen, die die Kojen durchschlendern, neugierig suchen, bisweilen ratlos dreinblicken und sich verlegen fragen, was man damit jetzt anfangen soll. 
 
Ist eine Kunstmesse an sich nicht etwas Problematisches, weil die gerne gepriesene Autonomie der Kunst hier ungeniert ihre Käuflichkeit offenbart, und die scheinbaren Parallelwelten von Kunstlehre und -produktion auf der einen Seite und Kunstmarkt auf der anderen, von „hehrem“ Künstlertum hie und „schnödem“ Kommerz da sich hier ungezwungen zuprosten´ 
 
Ullrich: Dadurch, dass die Werke letztlich verkauft werden, ist die Autonomie des Künstlers noch nicht in Gefahr. Wenn er sich selbst durch die Erwartungen des Publikums beeinflussen lässt, ist das das Problem des Künstlers und nicht das der Messe. Daher ein klares Nein. Das gilt auch historisch gesehen, schließlich hat auch schon ein Albrecht Dürer gemeinsam mit seiner Frau seine Werke selbst auf Messen verkauft, und so etwas wie das Goldene Zeitalter der holländischen und flämischen Malerei wäre überhaupt nicht denkbar gewesen ohne das Geflecht von Jahrmärkten und Events, auf denen Bilder verkauft und verlost wurden. 
 
Was kann einem Menschen die Beschäftigung mit Kunst bringen´ 
 
Ullrich: Für den einen ist es eher ein intellektuelles Vergnügen, sich mit etwas zu beschäftigen, das nicht so offensichtlich durchschaubar ist. Für andere ist Kunst ein Mittel, ihren Alltag zu überhöhen oder auch zu brechen. Wieder andere finden hier eine sinnliche Erfahrung, die ihnen sonst verwehrt bliebe. Für viele ist die Beschäftigung mit Kunst Kompensation für ihr als zu eng, zu verplant oder entfremdet empfundenes Leben. Kunst ist dann eine Option neben anderen, etwa einem Wellness-Wochenende, einer romantischen Affäre, einem spleenigen Hobby. 
 
Was bringt es überdies einem Menschen, Kunst zu kaufen und zu sammeln´ 
 
Ullrich: Ich habe diese Frage selbst vor einiger Zeit Sammlern gestellt und habe zwei Antworten erhalten. Zum einen sammeln Menschen die Werke eines Künstlers, um auch mit dem Künstler in Kontakt zu kommen und die Chance auf eine Teilhabe am Leben dieser Persönlichkeit zu bekommen, zu erleben, wie so jemand denkt und handelt. Die zweite Antwort war, weil man mit einem eigenen Kunstwerk anders umgehen könne als im Museum, etwa sich mit einem Glas des Lieblingswhiskeys und der Lieblingszigarre vor das Bild zu setzen und das Werk intensiv zu genießen, vielleicht sogar ein bisschen vorsichtig zu berühren. 
 
Die Karlsruher art gründet ihren Charakter nicht zuletzt auf eine gewisse Bodenständigkeit, familiäre Atmosphäre und proklamierte Normalität. Man schmückt sich zwar gerne auch mit dem Besuch oder den Werken des einen oder anderen Exzentrikers, zeigt aber vor allem nicht allzu Verstörendes. Wie erklären Sie sich den großen Erfolg dieser Messe´ 
 
Ullrich: Weil die art weit und breit die einzige größere Messe ist, die ein solches Konzept verfolgt und dabei sehr ehrlich und realistisch ist. Indem sie gerade nicht behauptet, elitär und unendlich exklusiv zu sein, trifft sie auf ein breites Bedürfnis von Menschen, die gar nicht große Kunstsammler werden wollen, sich aber in ihrem Umfeld mit zwei, drei zeitgenössischen Kunstwerken umgeben wollen. Dazu kommt die sehr kluge, ja fast schon kunstpädagogische Konzentration auf die One Artist Shows, die die art viel weniger chaotisch erscheinen lässt als andere Messen. Die Besucher können hier 200 Künstler in überschaubaren Ausstellungen viel intensiver entdecken, als das bei jeweils nur einem gezeigten Werk möglich wäre. So ist die art, wie ich finde, eine gute Werbung für die aktuelle Bildende Kunst, die in die Breite zielt, weil sich auch die Laien hier ernst genommen fühlen. 
 
Apropos Künstlerpersönlichkeit, Sie sind im Rahmen der art zu einem Podium unter dem Titel „Der Künstler als Genie“ eingeladen. Wenn man sich die jüngere Künstlergeneration anschaut, inwieweit passt überhaupt noch das Klischee vom weltenthobenen genialen Eigenbrötler´ 
 
Ullrich: Dieses Bild stimmt heute viel weniger als früher, gerade weil die Jungen von sich aus gar nicht mehr den Ehrgeiz haben, dieses Klischee zu erfüllen. Es scheint ihnen viel wichtiger zu sein, in ihrer Arbeit etwas zu schaffen, das sich in die Arbeit anderer integrieren lässt. So gibt es heute auch viele Teams und interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaften, wo die Grenzen von Kunst zu Angewandter Kunst, Design, Mode oder Architektur fließend werden. Diese Offenheit finde ich sehr angenehm, weil sie etwas Entspannendes hat und manche Verkrampfungen, die es früher gab, nicht mehr kennt.