Archiv Ausgabe Oktober 2005 Kunst, Ausstellungen Kunst

Pforzheim Galerie: Rainer Mürle

In diesem Augenblick der Geschichte, da der Mensch weiter als je zuvor vom Elementaren entfernt ist, bringen diese Landschaften … etwas in uns zum Schwingen, der Traum von einem Weg zurück kann hier Nahrung finden, etwas, wofür viele empfänglich sind, denen vor der seltsamen Zukunft schaudert, die sich abzeichnet … es hat seinen Grund, dass jene, die sich auf die Suche nach ihnen machen (oft ohne zu wissen, warum), immer zahlreicher werden. Sie ertragen es nicht mehr, dem Raum entfremdet zu sein. Erst dort beginnen sie wieder zu atmen, ein Leben für möglich zu halten …. Was der große, in Deutschland leider viel zu wenig bekannte Lyriker Philippe Jaccottet mit seinen Worten zum Ausdruck bringt, reflektiert Rainer Mürle (geb. 1930) mit seiner Aquarellmalerei. Um seine Momentaufnahmen und Stimmungsbilder zu realisieren, malt er "plein air", also direkt vor dem Motiv wie z.B. Constable, Cézanne, die Impressionisten. Er malt also gegen den "mainstream", schließlich galt diese Methode bis vor kurzem noch als anrüchig, unopportun, rückständig. Um so erstaunlicher, dass mittlerweile Landschaftsmaler aus Gerhard Richters Klassen es wagen, sich dieser jahrzehntelangen Diskreditierung zu widersetzen Für Rainer Mürle ist jedoch die Freilichtmalerei keine Frage der Mode. Er folgt auf der Isle of Jura (Schottland) den Pfaden der Hirsche, setzt sich dem stark böigen Wind und dem schnell wechselnden Wetter aus, erklettert die Hügel und malt vor Ort, um so unmittelbar wie möglich wahrzunehmen. Seine Landschaftsaquarelle und Stillleben, aber auch seine Federzeichnungen von Häusern aus dem Schwarzwald verzichten auf Symbolik. Sie veranlassen nicht dazu, nach einer tieferen Bedeutung zu suchen. Im Gegenteil, der Betrachter wird dazu herausgefordert, die schlichten Erscheinungen dieser Welt (wieder) als wohltuend und bemerkenswert zu empfinden. Rainer Mürles Bilder geben Hinweise: Sie zeigen dem Betrachter, wie er sich der Wirklichkeit gegenüber verhalten soll: Achtsam nämlich. - Franz Littmann (Rainer Mürle - Die Kunst der Achtsamkeit, Pforzheim Galerie, Bleich-81, im Kollmar & Jourdan-Gebäude, 23.10-29.1.)