Archiv Ausgabe März 2006 Kunst, Ausstellungen Kunst

Bazon Brock:

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Ausstellung des Monats

Bazon Brocks Lustmarsch durchs Theoriegelände 
 
>ZKM-Medienmuseum, Lichthof 8, Tägl. Führungen 16-17 Uhr und 18-22 Uhr mit Bazon Brock; 3.3.-14.3. 
 
 
Wir sind von Vorurteilen beherrscht. Unsere Wahrnehmungs-, Erkenntnis- und Erlebnisformen sind immer schon vorgeprägt. Auf der anderen Seite brauchen wir Vorurteile, um den unvorstellbar vielfältigen Anforderungen unserer Lebenssituation einigermaßen entsprechen zu können. Man kann nicht, wie man so schön zu sagen pflegt, jedesmal das Rad neu erfinden. 
Dennoch hört man immer wieder - auch nach hundert Jahren Diskussion - im Streit für und wider die "moderne" Kunst - das Argument, es sei möglich, einen unmittelbaren Zugang zu Kunstwerken zu gewinnen. Das Kunsterlebnis solle rein (ohne ästhetische Theorie) und unverstellt (ohne Kunstkritiker) möglich sein. Gegen diesen Irrtum einer "Ästhetik der erzwungenen Unmittelbarkeit" (so sollen z.B. Betrachter ein Urteil über ein Kunstwerk fällen, ohne dass ihnen der Name des Künstlers verraten wird, d.h. vorurteilsfrei) kämpft (größtenteils vergeblich) einer der maßgeblichsten Kulturtheoretiker, den wir in Europa haben. 
Bazon Brock (geb. 1936), Professor für "nichtnormative" Ästhetik an der Uni Wuppertal, berühmt für seine Besucherschulen, happeningartigen "action-teachings" und streitlustigen Auftritte im Fernsehen (3Sat), setzt gegen die Ausschaltung der Vermittlung/ von Vorwissen sein "Ästhetik der Vermittlung". Mit der Forderung nach einem naiven oder bauchgesteuerten Verstehen von Kunstwerken, so seine zentrale These, wird man automatisch zu einem Gegner von moderner Kunst. Denn ihr wesentliches Selbstverständnis ist ja gerade die Beschränkung auf die Problematisierung der Verfahren. Die Vermeidung des Ernstfalls. Die Unterlassung der Überführung ins "richtige" Leben (Beispiel: Richard Wagners 1851 niedergeschriebene Mission der Deutschen, die Juden zu erlösen, indem man sie ausrottet, wurde im 3. Reich "verwirklicht"). Wer moderne Kunst verstehen will, muss die Fähigkeit besitzen, in Bildern reflexiv zu denken. Muss über Bilder kommunizieren können: "Was könnten die Künste Wichtigeres leisten, als uns Kriterien der Unterscheidung zu entwickeln - selbst so vermeintlich ätherische wie die Farbdifferenzierung auf einem Graubnerschen Farbkissen´" (Brock). 
Welche Ehre für Karlsruhe: Anlässlich seines 70. Geburtstages beginnt der "hauptamtliche Beweger" seine Lust- und Gewaltmärsche" durch seine Ausstellung (Bilanz mit 10 Topologien, mit denen er sich 50 Jahre lang beschäftigt hat) im ZKM (weitere Stationen: Frankfurt, Köln, Hannover, Wuppertal). Es sind "Action Teachings der besonderen Art, deren Ziel es ist, eine bleibende Sammlung von Grabbeigaben für die 1968er Generation mit Wiederauferstehungsanlage zu schaffen." - Franz Littmann