Archiv Ausgabe Oktober 2006 Verschiedenes Herbies Cartoon

„Koi Sorg, der steht noch mol uff“

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„What we need now is some fresh, new clichés“ (Samuel Goldwyn, Hollywoodproduzent) - „Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass grosse Koffer immer federleicht sind´ Dass Champagnerflaschen immer übersprudeln´ Haben Sie bemerkt, dass Mikrofone immer quietschen´ Dass Diamanten ‚pling‘ machen, wenn man sie ansieht´ Dass Männer mit nacktem Oberkörper aufwachen, Frauen aber im Bett bis zum Hals bedeckt sind´“  
Es sind keine rhetorischen Fragen, die da gestellt werden. Gesehen haben wir das alles schon und zwar im Kino und im Fernsehen, aber aufgefallen ist es den meisten wohl nicht. Klischees haben die Tendenz nicht aufzufallen, sie betätigen Sehgewohnheiten, sie verstören sie nicht. Eine Ausnahme ist wohl das titelgebende Klischee der vergnüglichen Auflistung von allen möglichen Filmklischees, die ein aufmerksamer Filmfreak namens Christian Georg Salis besorgt hat. „Das Böse steht noch einmal auf“, das sorgte in den 70er und 80er Jahre für Gänsehaut im Kino, siehe „Halloween“ und „Eine verhängnisvolle Affäre“. Mittlerweile lassen sich nur noch Kino-Greenhorns von den bösen Stehaufmännchen ins Bockshorn jagen, der erfahrene Kinogänger ahnt es schon und der redselige läßt Nebenmann bzw. Nebenfrau an seinem Wissen teilhaben: „Koi Sorg, der steht noch mol uff“.  
Wie gesagt, die anderen Klischees sind weniger auffällig und so kann man dem findigen Autor auch keinen Vorwurf machen, wenn einige Klischees seiner Aufmerksamkeit entgangen sind. In dem Kapitel „Schulzeit“ mit so erhellenden Sätzen wie „Jeder Jugendliche mit einem Computer ist ein Hacker“ steht kein Wort darüber, dass im Hollywoodfilm die Schulstunde höchstens fünf Minuten dauert. Achten Sie mal drauf. Unter dem Motto „Essen und Trinken“ findet sich die treffende Beobachtung: „Es gibt nur eine Biersorte. Daher reicht es in Bars zu sagen: ‚Ein Bier, bitte!‘“  
Das ist wahr, wahr ist aber auch, dass das Bier in der Regel dann nicht getrunken wird. Mehr als ein Nippen am Schaum läßt die Filmdramaturgie nicht zu, schon naht der nächste Fall (im Krimi), die nächste Katastrophe (im Katastrophenfilm), die schöne Frau (Romanze, Melodram). Ein Bier auszutrinken nimmt einfach zuviel Zeit in Anspruch, wahrscheinlich trinken deshalb Cowboys in Western fast immer Whisky, der ist schnell gekippt, dabei kann es doch nach einem langen Ritt durch die staubige Prärie nichts erquickenderes geben als ein kühles Bierchen und noch eins und noch eins.....Aber auch der Westernheld hat keine Zeit für ausführlichen Biergenuss, kaum angekommen, muß er eine holde Maid oder gleich eine ganze Stadt vor dem Zugriff eines Schurken und seiner Helfershelfer zu retten.  
Leicht nachzuvollziehen ist auch folgende Beobachtung: „Bei jedem Wettkampf machen die Außenseiter in letzter Sekunde einen außergewöhnlichen Spielzug, der doch zum Sieg führt. Das gelingt nur, wenn alle zusammenhalten oder wenn der Spielführer sich an die Worte seines alten Lehrmeisters erinnert.“ Das stimmt natürlich, aber in besonders melodramatischen Sportfilmen ist es dann auch noch der Depp der Truppe, der ewige Loser, der Außenseiter mit dem Handicap, der den entscheidenden Punkt oder Treffer erzielt. Ohnehin kann man sicher sein, dass ein Held, der mit einer Schwäche, einem Trauma, einer Neurose geschlagen ist, eben das überwinden muß, um die finale Rettungstat zu vollbringen.  
Der Wasserscheue wird genötigt zu schwimmen, wer mit Platzangst bzw. Höhenangst geschlagen ist, muß sich in eine enge Höhle zwängen bzw. einen hohen Turm oder Berg erklimmen, und der Boxer, der, nachdem er einen Gegner im Ring totgeschlagen hat, niemehr boxen wollte, schlägt wieder zu. Wer es oft genug gesehen hat, dem mag das große Gähnen kommen. Das mich übrigens auch befällt, wenn mir zum xten Mal in einer sündhaft teueren Filmproduktion, die nur dafür gemacht wurde, möglichst vielen Kinogängern möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen, die fromme Botschaft vermittelt wird, dass Geld allein nicht glücklich macht und dass nur die Liebe zählt. Ach Gott ja.  
Wohlgemerkt: Es gibt viele Klischees, die stimmen, wer sie meidet, dessen Weltbild hat blinde Flecken. Aber die Traumfabrik würde sehr viel gewinnen, wenn sie einige Dutzend der selbst produzierten und überstrapazierten Klischees mal für einige Zeit unter Quarantäne stellen oder gleich einmotten würde. Vielleicht würde sich dann etwas mehr Lebenswirklichkeit in den Hollywoodfilmen wiederfinden, vielleicht würden sich jenseits der Stereotypen neue, aufregende Geschichten erzählen lassen. Die Fülle der Prequels, Sequels und Remakes verrät, dass die Traumfabrik dabei ist zu einem Recycling-Unternehmen zu verkommen.  
Auf einige Klischees kann allerdings beim besten Willen nicht verzichtet werden. Und damit meine ich nicht „Wer vor einem Verfolger flieht, wird früher oder später durch eine Restaurantküche laufen. Dabei gehen immer Teller zu Bruch und der Koch flucht“ und auch nicht „Man kann getrost in Stapel von Kisten oder Fässern fahren. Sie sind immer leer“, sondern, wie der Klischeesammler etwas umständlich formuliert: „Keine Bombe kann entschärft werden, solange der Timer über 10 Sekunden liegt.“. Eine Zeitbombe, die fünf Minuten vor der Zeit, die ja in der Regel gut sichtbar digital angezeigt wird, entschärft wird, ist und bleibt für den Zuschauer ein Rohrkrepierer. Aber vielleicht sollte man auch einfach mal den bombenentschärfenden Helden mit der Bombe hopps gehen lassen, aber damit würden auch noch gleich mehrere Hollywoodklischees auf einmal pulverisiert, u.a. „Am Ende ergibt alles einen Sinn“.