Archiv Ausgabe September 2007 Verschiedenes Meldungen

Ein Gespräch nicht nur über Geld

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Bürgermeisterin Margret Mergen

Seit einem guten halben Jahr ist Margret Mergen in Karlsruhe Bürgermeisterin und zuständig für einige der brisantesten Themen, die die Fächerstadt zu bieten hat. Die frühere Stadtkämmerin und zwischenzeitliche Bürgermeisterin von Heilbronn, der von politischden Gegnern wie Freunden hohe Kompetenz attestiert wird, hat sich in ihrer Startphase durch eigenwillige Ideen und unkonventionelle Initiativen insbesondere in der Kulturlandschaft nicht nur Freunde gemacht. Im Klappe-Auf-Gespräch mit Johannes Frisch gibt sich die Diplomgeografin offen und diskussionsbereit. 
 
Frau Mergen, macht es Ihnen Spaß, wieder in Karlsruhe zu arbeiten´ 
 
Mergen: Ja sehr, wir freuen uns, wieder hier zu wohnen, und das Aufgabenfeld finde ich spannend und ausgesprochen wichtig. Die Frage der Ziele und Ausrichtungen braucht allerdings noch ein bisschen Zeit, gerade auch im Zusammenspiel mit den anderen Dezernenten. 
 
Von der wirtschaftlichen Seite her sind Sie auch mit einer Reihe von Problemen beschäftigt, die mit Kultur zu tun haben. Beispiel Kulturzentrum Tempel. Begrüßen Sie die Entwicklung, die sich mit dem Kauf des Bau 2 an einen privaten Investor ergeben hat´ Ist alles gut für die Stadt, was der Stadt Geld spart´ 
 
Mergen: Man wird mir nicht gerecht, wenn man meint, mein Hauptinteresse sei es, Geld zu sparen. Geld ist für mich ein Mittel zum Zweck, das wir sinnvollerweise einsetzen, um neue Initiativen und Prozesse zu entwickeln oder anzustoßen. Ich erkenne aber auch an, wenn gute Ideen von privater Seite verfolgt werden. Ich verstehe gute Politik als ein Ineinandergreifen von privatem und öffentlichem Engagement. Ich habe von Seiten des Kulturzentrums die Sorge erkannt, dass man womöglich seine Ziele nicht mehr wie bisher entwickeln könne. Ich habe jedoch die Hoffnung, dass auf Dauer hier eine interessante Mischung aus Kulturschaffenden und kulturnahem Gewerbe entsteht, die dem Tempel langfristig eine Zukunft bietet. 
 
Ein anderes Beispiel ist die Entwicklung des Kreativparks Ostaue. Während mit Jazzclub, Substage und Tollhaus das gemeinnützige, kulturelle Feld des Areals im wesentlichen abgesteckt zu sein scheint, steht die Ausfüllung der anderen Seite, sprich des kulturnahen Gewerbes derzeit in den Sternen. Ein konkretes Projekt an der Durlacher Allee, das den Rock Shop mit einem Künstlerhotel und einer Musikschule in einem gemeinsamen Gebäude vereinen sollte, ist nach langen Verhandlungen gescheitert. Wollten Sie den Rock Shop, der sich selbst an der Schnittstelle zwischen Gewerbe und Kultur sieht, nicht im Kreativpark´ 
 
Mergen: Das ist doch überhaupt nicht die Frage. Der Rock Shop selber musste nach Prüfung der Rahmenbedingungen feststellen, dass es für ihn besser sei, sich am bisherigen Standort Kirchfeld zu erweitern. Im Hintergrund steht die Erkenntnis, dass es sehr schwierig sein dürfte, sein auf die eigenen Bedürfnisse sehr speziell bebautes Gelände zu einem akzeptablen Preis zu verkaufen. Wir hätten es alle begrüßt, wenn der Rock Shop in den Kreativpark gezogen wäre, aber die Stadt konnte ihm ja schließlich nicht seine kaum anderweitig nutzbare Immobilie abkaufen. Bei aller Sympathie für Stadtentwicklung, am Ende muss sie doch noch irgendwie ökonomisch vertrebar bleiben.  
 
Aber teilen Sie die Meinung ihres Bürgermeisterkollegen Ullrich Eidenmüller, dass die Stadt nicht wie ursprünglich immer wieder vorgegeben, die Konversion des Schlachthofareals mit all seinen Altlasten kostenneutral vorantreiben kann´ 
 
Mergen: Ich habe nach meinem Amtsantritt die Fächer GmbH gebeten, mir einen Businessplan für die Konversion des Geländes aufzustellen, in dem alle möglichen Ausgaben für Straßen, Kanäle, Abriss und so weiter den möglichen Einnahmen gegenübergestellt sind. Diese Übersicht liegt mir noch nicht vor, weswegen ich hierzu noch nichts Genaues sagen kann. Es könnte aber durchaus sein, dass es am Ende nicht Null auf Null aufgeht. 
 
Waren Sie in diesem Jahr beim Fest in der Günther Klotz Anlage´  
 
Mergen: Da hatte ich ein paar Tage Urlaub, ich wäre gerne dagewesen. Von Freunden habe ich gehört, dass es wirklich toll gewesen sein soll. 
 
Der Stadtjugendausschuss denkt derzeit intensiv über die Zukunft der beliebtesten Veranstaltung der Fächerstadt nach. Die von den Fest-Machern favorisierte Lösung ist eine GmbH, die durch einen Personalkostenzuschuss der Stadt gestärkt wird. Sie vertreten die Ansicht, das “Fest” solle Eintritt nehmen. Glauben Sie nicht, dass dies den Charakter der Veranstaltung grundsätzlich ändert´ 
 
Mergen: Ich habe den Eindruck, dass das Fest mit seinen 300.000 Besuchern eine Größe angenommen hat, die vom Stadtjugendausschuss nicht mehr bewältigt werden kann. Die Gründung einer GmbH löst aber dieses Problem in keiner Weise. Offenbar ist doch die Nachfrage größer geworden, als das Angebot sein kann. Da scheint mir doch ein kleiner Obulus, der ein professionelleres Management ermöglichte, ein geeignetes Steuerunginstrument, ohne dass hier zusätzliche Öffentliche Mittel verwendet werden müssen. Das muss ja nicht sehr hoch sein. Selbst beim Altstadtfest in Durlach oder beim Peter- und Paul-Fest in Bretten wird so etwas ohne großen Verwaltungsaufwand erhoben. Die Leute zahlen gerne, denn sie bekommen ja viel geboten. Auch einen großen Konzertveranstalter mit ins Boot zu nehmen, halte ich für denkbar, damit man die anstehenden Probleme auf professioneller Basis löst. 
 
Thema Stadtmarketing: Durch die Initiative der Stadt wurde der Vertrag mit Herrn Kratzat für die Öffentlichkeit überraschend nicht verlängert, mit dem Ziel, das Stadtmarketing neu auszurichten. Was kann und soll das Stadtmarketing für eine Stadt wie Karlsruhe ausrichten´ 
 
Mergen: Stadtmarketing ist für eine Stadt wie Karlsruhe notwendig und durchaus angemessen. In einem ersten Schritt hatte man den Wunsch, dass die Karlsruher selbst an die Stärken ihrer Stadt glauben und diese nach außen hin vertreten. Dies scheint mir in den vergangenen Jahren durchaus gelungen. Nehmen sie den Stadtgeburtstag, den KSC oder das Fest, neuerdings auch den Leuchtturm KIT, das sind Beispiele, die die Menschen davon überzeugen, dass Karlsruhe klasse ist und sie zurecht mit Stolz erfüllt. Jetzt muss es darum gehen die Partner, Kunden und Firmen jenseits des 50 Kilometer-Radius auch davon zu überzeugen, dass Karlsruhe klasse ist. Also auch davon, dass Karlsruhe ein kompetenter, innovativer Wirtschaftsstandort mit hoher Lebensqualität ist. Das wird noch nicht überall gesehen, anders kann ich mir so etwas wie die Entscheidung der Firma Pfizer nicht erklären. 
 
Was können Politik und Verwaltung einer Stadt überhaupt tun, solche Unternehmensverlagerungen und Arbeitsplatzabwanderungen zu verhindern´ 
 
Mergen: Unterm Strich ist die Zahl der Arbeitsplätze in Karlsruhe im Lauf der vergangenen zehn Jahre tatsächlich gestiegen, teils durch Firmen, die seit langem hier angesiedelt sind wie etwa Bosch, die alleine einen Zuwachs von 500 Arbeitsplätzen haben, teils durch erfolgreiche Unternehmensgründungen wie die Firma netviewer mit heute 220 Angestellten. Das alleine spricht für die Stärke des Wirtschaftsstandorts Karlsruhe. Da gehört es für mich zum Stadtmarketing dazu, dass man nicht lamentiert, sondern erkennt, wo wir stark sind. Die Stadt kann mithelfen, die Rahmenbedingungen zu verbessern, sowohl was die harten Faktoren wie das Anbieten von Flächen, die Verkehrsanbindung und einen guten Arbeitskräftemarkt, als auch die weichen und Wohlfühl-Faktoren angeht wie gutes Wohnen, Sicherheit, soziale Stabilität und einen hohen Freizeitwert. Wenn es gelingt, diese Faktoren tatsächlich zu realisieren und nach außen zu vermitteln, können wir einen Beitrag dazu leisten, dass Firmen auch morgen ihre Zukunft in Karlsruhe sehen. Ich wünsche mir von Karlsruhe das Bild einer jungen Stadt, die sie ja tatsächlich auch ist, mit Kopf und Herz, in der nicht die Angst vor Veränderungen regiert und lähmt, sondern man die zugeworfenen Bälle beherzt aufgreift. 
 
Zuständigkeitsbereich Messe: Muss eine städtische Messe- und Kongressgesellschaft ein derartiges Zuschuss-Projekt sein, oder welche Chancen sehen Sie im heißumkämpften Messe-Geschäft für die Neue Messe in Karlsruhe´ 
 
Mergen: Für einen Wirtschaftsstandort ist es ein großer Pluspunkt, eine attraktive Kongress- und Messestruktur zu haben, aber die Erfahrungen anderer Standorte zeigen, dass es dabei nicht gelingt, in die Gewinnzone zu kommen. Ich bin in Sorge, weil der Messebereich in Deutschland von einem großen Überangebot geprägt ist. Die Messe Stuttgart wird uns noch zusätzliche Konkurrenz machen, so dass es in Zukunft noch schwieriger werden wird. Unsere Strategie ist es, vor allem kleinere, spezielle Fachmessen wie die Resale, neuerdings die preventiKA oder auch die ART zu platzieren und uns in einem kleineren Segment kompetent durchzusetzen. 
 
Ist es sinnvoll, die zwar auch als Konzerthalle geplante, aber dafür mangelhaft ausgestattete dm-Arena nicht für diesen Zweck zu nutzen und stattdessen den übergroßen Teil des Jahres leerstehen zu lassen´ 
 
Mergen: Auch dies ist eine Frage der Konkurrenz. Große Veranstalter gehen gerne in spezielle, für Konzerte vorbereitete Hallen wie die SAP-Arena oder auch die Schleyerhalle. Wir müssen für solche Events unsere Halle zusätzlich ausstatten, was die dm-Arena dann wieder zu teuer macht. Aber ganz unabhängig von der Halle steht Karlsruhe bei den Großveranstaltern für top acts nicht auf dem Plan. Die gehen zunächst nach München, Berlin und Hamburg. Erst in einer zweiten Runde ist dann bestenfalls Stuttgart an der Reihe. Es bleibt unter dem Strich die Frage, mit welchem Angebot wir mit unserer dm-Arena tatsächlich konkurrieren können. 
 
Können Sie ruhig schlafen, wenn Sie an die U-Strab denken, oder fürchten Sie, dass ungeahnte Kostenexplosionen auch in der Folge des Riesenprojekts die wirtschaftliche Solidität der Stadt überfordern könnten´ 
 
Mergen: Diese Frage ist sicher berechtigt, aber es ist jetzt an uns, dafür Sorge zu tragen, dass wir solide Pläne machen und Unwägbarkeiten möglichst ausschließen, damit wir wissen, was wir tun, wenn der erste Bagger anrollt. Aber ich glaube, wir haben gar keine Alternative. Wenn wir den pulsierenden Innenstadtbereich Karlsruhes zukunftsfähig machen wollen, müssen wir den Öffentlichen Nahverkehr im Herzen der Stadt als zweite Lebensachse in die Tieflage bringen. Im Nachhinein wird man dann bestimmt erkennen, dass wie das ganze Land von Stuttgart 21 profitiert, die Kombilösung die gesamte Region stärken wird.