Archiv Ausgabe Oktober 2007 Verschiedenes Meldungen

25 Jahre Tollhaus

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Der lange Weg zum großen Erfolg

Am Anfang war dieses Gefühl. Karlsruhe könnte eventuell doch diese langweilige Beamtenstadt sein, für die viele sie hielten. „Es gab den Jazzclub, es gab die Traube Durlach und es gab gelegentlich mal ein Konzert, das eine Karlsruher Band selbst veranstaltete. Dann hat vielleicht mal ein kommerzieller Veranstalter was mit Emerson Lake und Palmer gemacht, das war alles“ erinnert sich Bernd Belschner, Tollhaus-Geschäftsführer.  
Und dann gab es seit 1978 den Folk Club, aus dem später das Tollhaus wurde. 1982 war das Jahr, in dem das Dach Folk Club zu klein wurde für die unterschiedlichen Strömungen darunter: Da holte man das Theater Rote Grütze Berlin, da gastierte Hanns Dieter Hüsch und da spielte die Politrockband Schröder Roadshow – und das alles hatte nur noch wenig mit Folk zu tun. Für letzteres gab es dann sogar extra die „Rockfreunde im Folkclub“. 
Hatte schon der Folkclub sich an der Initiative für ein Bürgerzentrum in der Karlsruher Südstadt beteiligt, reihte sich der neue Kulturverein Tollhaus jetzt ein in eine bundesweite Bewegung für selbstverwaltete Angebote in freier Trägerschaft.  
Der 1. Oktober 1982 ist der Tag, an dem die breitere Karlsruher Öffentlichkeit das Tollhaus erstmals wahrnehmen konnte: Ein Abend mit zahlreichen Karlsruher Künstlern im Anne-Frank-Haus setzte das Tollhaus auf die kulturpolitische Landkarte der Stadt. 
1984 stand auf dem Engländerplatz unübersehbar ein Zirkuszelt. Drinnen gab es unter anderem die Erste Allgemeine Verunsicherung, Ton Steine Scherben, Die Drei Tornados. Nach außen sollte das Zeltival klarmachen: Es gibt Raumbedarf für die „freie Kultur“. 1986 traten bereits internationale Künstler auf, und die internen Diskussionen begannen. Belschners Geschäftsführungskollegin Britta Velhagen, die mit dem zweiten Zeltival dazu stieß, erinnert sich: „Als wir Mercedes Sosa im Konzerthaus veranstalteten, fanden das einige zu groß, manche wollten, dass das alles klein bliebe.“  
1988 scheiterte das dritte Zeltival am fehlenden Zuschuss der Stadt, aber die Tollhäusler ließen sich nicht entmutigen, holten im gleichen Jahr den Moskauer Staatszirkus erstmals nach 20 Jahren wieder in der Region.  
Ohne eine feste Bleibe war das Tollhaus darauf angwiesen, Veranstaltungen an den verschiedensten Orten durchzuführen. Das Anne-Frank-Haus war dabei einer der häufigsten temporären Veranstaltungsorte. 
Trotz stetiger Überzeugungsarbeit der Tollhäusler, war die Stadt in dieser Zeit nicht bereit, die Idee eines eigenen Hauses zu unterstützen. Das änderte sich zum Glück. 
1990 startete das Tollhaus sein bis dato größtes Projekt: das Provisorium, Modell eines soziokulturellen Zentrums für Karlsruhe. Man mietete kurzfristig eine leerstehende Halle in der Nordweststadt an, baute sie in ein provisorisches Kulturzentrum um und zeigte Bevölkerung und Gemeinderat, wie es gehen könnte: 132 Veranstaltungen zogen rund 25.000 Besucher von 18 bis 55 Jahren an, die Mitgliedschaft des Vereins verdoppelte sich „Wir waren immer die, die nicht große Pamphlete schreiben wollten, sondern etwas machen: Einfach beweisen, dass man etwas auf die Beine stellen kann, das war auch schon mit dem ersten Zeltival gelungen“, erinnert sich Belschner.  
Im Provisorium konnte nun auch ein bislang etwas vernachlässigter Teil des Tollhaus-Konzeptes zum Tragen kommen: neben Theater, Konzerten, Kabarett und Ausstellungen intensivierte man die Zusammenarbeit mit Karlsruher Initiativen (z.B. AIDS- Initiative, Gesellschaft für bedrohte Völker).  
Als das Provisorium 1991 abgerissen wurde, unterstützte das Kulturreferat der Stadt den Verein aktiv bei der Suche nach neuen Räumlichkeiten. 
Im Oktober 1992 wurde das Kulturzentrum Tollhaus in einer ehemaligen Viehmarkthalle auf dem Karlsruher Schlachthofgelände eröffnet, die Stadt hatte sich mit 60 Prozent an den Umbaukosten von rund 1,5 Millionen Mark beteiligt, 30 Prozent hatte das Land Baden-Württemberg zugeschossen. Ein wichtiges Ziel war erreicht. „Ich weiß nicht, was passiert wer, wenn nach dem Provisorium die Stadt immer noch gesagt hätte: Tollhaus, was ist denn das´“ erzählt Britta Velhagen.  
Schon im ersten Vierteljahr kamen 15.000 Besucher. Das feste Haus schaffte neue Möglichkeiten, aber „der Prozess der Professionalisierung war nicht einfach“, sagt Belschner: „Der Gedanke, eine Halle zu betreiben, bezahltes Personal zu beschäftigen, war manchen fremd.“ 
Höhepunkte der vergangenen 15 Jahre Tollhaus-Geschichte im festen Domiziel sind beispielsweise das schwul-lesbische Kulturfestival „Schrill im April“ (seit 1993), die Koproduktion mit der Gruppe GOSH (Neues Tanztheater, ab 1995), die Mitwirkung beim World Wild Weekend des SDR (1997) oder die Veranstaltungsreihe „Der Bunte Hund“ (2000), bei der Künstler aus der Region sich einem breiteren Publikum präsentieren können. Das Tollhaus kooperierte mit dem SWR beim New Jazz Meeting 2001, wirkte mit an dem Festival „Frauenperspektiven“ und das Gelände des Zeltivals, das ständig wachsende Zuschauerzahlen verzeichnen konnte, wurde in jenem Jahr auch größer und schöner. 2003 kamen zum 17.000 Zuschauer – ein neuer Rekord. 2006 zeigte das Tollhaus erstmals auf Karslruhes schönsten Platz, dem Gutenbergplatz, das Straßentheaterfestival. 
„Ich sehe uns heute in einem Spannungsfeld zwischen Initiative und großem Kulturtanker“ lautet die Bestandsaufnahme. Heute gibt es rund 220 Veranstaltungen pro Jahr im Tollhaus mit 85.000 Besuchern.  
„Ich sehe das Tollhaus als etabliert, und ich sehe das in einem positiven Sinn. Das heißt nichts weiter als: man kennt das Tollhaus. Und es heißt nicht: Da spielt immer der Hannes Wader“ sagt Bernd Belschner, der dem Tollhaus die ungebrochene Fähigkeit attestiert, sich immer wieder neu zu erfinden: „Es soll nicht Ausdruck sein dessen, was es vor 25 Jahren auch schon gab“. -tz 
Kulturzentrum Tollhaus, Schlachthausstr.1, Karlsruhe