Archiv Ausgabe März 2012 Verschiedenes Herbies Cartoon

Rudi Alzheimer

Kennen Sie den schon´ „Was ist besser: Alzheimer oder Parkinson´ Antwort: Alzheimer, besser ein Bier vergessen als ein Bier verschütten!“ Was, der gefällt ihnen nicht, der ist ihnen zu blöd und außerdem könnte der Parkinson-Kranke sein Bier ja mit dem Strohhalm trinken und das Problem wäre gelöst. Na gut. Aber der Witz ist jetzt richtig klasse: „Kommt ein Arzt zum Patienten und sagt: Ich habe zwei schlechte Nachrichten für sie. Sie haben Krebs und Sie haben Alzheimer. Sagt der Patient: Gott sei Dank, ich dachte schon, ich hätte Krebs.“ Was, der ist Ihnen immer noch nicht komisch genug, außerdem haben Sie schon vergessen, was der Arzt als erstes gesagt hat. Na, da habe ich noch einen in petto, einen echten Brüller: „Alzheimer ist immer noch ein Tabu“. … Ich gebe zu, das ist kein Witz, das hat tatsächlich jemand gesagt, der Sprecher einer Alzheimer-Gesellschaft, wobei bei solchen Bezeichnungen ja nie ganz klar ist, ob man nun gegen oder für Alzheimer ist. Das Problem mit dieser Krankheit ist nur, dass es ihr selbst völlig gleichgültig ist, welche Haltung jemand ihr gegenüber einnimmt. Rudi Assauer hat nach eigener Aussage Alzheimer ein Leben lang gefürchtet, jetzt hat er Alzheimer für den Rest seines Lebens. Was war das für ein Medienecho, als sich die Fußball-Ikone (wahlweise -Legende) als Demenzkranken outete´! Ausgerechnet diesen Macho, diesen Frauenhelden, hat es getroffen, ja isses denn die Möglichkeit, tönte es aus dem Blätterwald und sonst woher. Ja, warum eigentlich nicht, kann man dann mal ganz nüchtern zurückfragen. Nicht einmal die immer noch im Dunkel tappende Alzheimer-Forschung hat bislang behauptet, dass das Klopfen starker Sprüche und das Flachlegen schöner Frauen den Ausbruch der Krankheit verhindert oder hinauszögert. Wenn es überhaupt so etwas wie einen Erkenntnisgewinn in medizinischer Hinsicht durch den Fall Assauer gibt, dann ist es der, dass Nikotin offenbar doch kein rechtes Mittel gegen Alzheimer ist, obwohl das gerüchteweise mal die Runde machte. Wird wohl ein kleines Ablenkungsmanöver der arg gebeutelten, unter stetem Mordverdacht stehenden Tabakindustrie gewesen sein. Rudi Assauer, Markenzeichen Zigarre, hat mit seiner Pafferei die gefürchtete Krankheit jedenfalls nicht auf Distanz gehalten, jetzt macht er halt noch das Beste draus, nämlich Geld. Oder machen es andere mit ihm´´ Es gehört doch zum Krankheitsbild von Alzheimer, dass man nicht mehr Herr seiner selbst ist. Das Zusammenwirken des Verlages mit dem ZDF (oder umgekehrt), das justament eine „37 Grad“-Sendung über Rudi Assauer ausstrahlte, als die Veröffentlichung des Buches von Rudi Assauer, das natürlich ein anderer für ihn geschrieben hat, bevorstand, die zeitnahen Talkshows in ARD und ZDF zum Thema und nicht zuletzt die umfassende Berichterstattung in der „Bild“-Zeitung und im Stern deuten auf eine konzertierte, geschickt eingefädelte Aktion hin. Dagegen ist gar nichts zu sagen, auch nicht dagegen, dass Assauer noch ein bisschen Kohle macht, auch wenn er es bei weitem nicht so nötig hat wie viele andere Alzheimer-Kranke und ihre Angehörige, die schauen müssen, wie sie die Betreuung des Kranken organisieren und bezahlen können. Ein positiver Effekt der ganzen Assauer-Manie für die Allgemeinheit ist aber nicht erkennbar. Von wegen Tabu-Bruch! Unter der Adresse www.alzheimer.de sind allein für das letzte Jahr etwa zwölf Sendungen zum Thema Alzheimer aufgelistet, wissenschaftliche Betrachtungen, Erfahrungsberichte, Talkshows. Der Schuß, mit dem sich Gunter Sachs vom Leben und von seiner Angst vor der auf ihn zukommenden Demenz befreite, war der Startschuss für einen kurzen Medienhype in Sachen Alzheimer, der halt nur schneller verrauschte als im Fall Assauer, weil das Objekt der Berichterstattung sich selbst aus dem Verkehr gezogen hatte. Schon zuvor war das Buch von Arno Geiger erschienen, in dem der Schriftsteller literarischen Honig aus dem Wegdämmern seines Vaters saugte. Das kann man so oder so sehen, vielleicht lohnen ein paar gute, bedenkenswerte Sätze das fragwürdige Unterfangen, das den schüchternen Geiger zum Bestsellerautor und zum gefragten Alzheimer-Experten machte. Damit ist der Erkenntnisgewinn immerhin größer als bei allen Talkshows zusammen mit ihrer, wie ein Kollege so treffend formulierte, „schleimigen Betroffenheits-Dackelei“. Irgendwann, wahrscheinlich schon wenn Sie das lesen, wird die Assauer-Alzheimer-Welle abgelaufen sein. Aber keine Sorge. Wahrlich ich sage euch: Spätestens im nächsten Jahr wird ein anderer in die Jahre gekommener Promi bekennen „Ich habe Alzheimer“ und wieder wird die Medienmaschinerie anlaufen, und wieder werden Jauch, Beckmann, Will, Lanz und Co. dankbar das neue alte Thema aufgreifen und schauen, ob sich dem Ganzen nicht auch was Positives abgewinnen lässt, am besten mit einem Vorzeigepatienten so wie der Muster-Demenzkranken Helga Rohra, die allein schon drei Sendungen mit Markus Lanz hinter sich gebracht hat. Wieder wird das Publikum im Saal gut gemeinte Sätze über die Würde des Kranken und gegen die Ausgrenzung durch die Gesellschaft beklatschen und dabei sich selbst, bildlich gesprochen, auf die Schulter klopfen: Was sind wir doch für gute, sensible, verständnisvolle Menschen. Und ein Vertreter der Wissenschaft wird bedauernd feststellen, dass noch immer kein Kraut gegen Demenz gewachsen ist, aber die Früherkennung hätte rasante Fortschritte gemacht. Ist das nicht toll – für die Arzneimittelindustrie, die dann noch mehr Medikamente verkaufen kann, von denen sie sehr wohl weiß, dass sie nicht (oder nur sehr begrenzt) helfen. Und auch das ist kein Witz.