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Verarmt die Karlsruher Galerienszene?

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Umziehen, Schließen oder Bleiben

Noch vor gut zwei Jahren schien Karlsruhe über eine buntest blühende Galerienlandschaft zu verfügen, die die örtlichen Kunsttanker, -hochschulen und -institutionen mit großer stilistischer Vielfalt flankierte und Künstler unterschiedlicher Generationen vertrat. Mittlerweile hat gut ein Drittel dieser privaten Einzelkämpfer die Schotten dicht gemacht oder ist in andere Gefilde gezogen. Jüngst eröffnete die Galerie Supper in Baden-Baden neue Räume, um „näher bei den Kunden“ zu sein. Die auf hochkarätige Fotografie spezialisierte Galerie von Heinz Martin Weigand zog nach Berlin, und die rührige Galerie 10 in der Karlsruher Südstadt räumte ihr langjähriges Domizil. Nun verliert Karlsruhe mit den Galerien Schuermer und Voegtle zwei weitere Aussteller und Kunsthändler. Johannes Frisch sprach für die Klappe Auf mit beiden sowie Michael Oess als Vertreter jener, die die Stellung halten. 
 
„Karlsruhe ist einfach ein schlechter Galerienstandort“, sagt der Intendant der Ettlinger Schlossfestspiele Udo Schürmer, der nach zwei Jahren in Ettlingen gemeinsam mit seinem Partner Michael Junga für drei Jahre in der Karlsruher Südstadt eine Galerie betrieb. Jetzt will er mit ihr nach Berlin wechseln. Dass derzeit einige der Kollegen aufgeben oder wegziehen, mindert für ihn zusätzlich die Attraktivität von Karlsruhe: „Der Karlsruher kauft nicht in Karlsruhe, das haben uns auch die anderen bestätigt.“ So lebte die Galerie Schürmer überwiegend von der auswärtigen Kundschaft. Doch diese bleibe durch die Umbausituation komplett aus. „Die derzeitige Verkehrssituation, die hier ja wohl bis 2020 vorherrscht, ist der Tod des Einzelhandels. Und unsere Kundschaft ist in dieser Beziehung besonders heikel, da sie bei uns nicht für den täglichen Bedarf einkaufen muss. Da fährt man eben lieber nach Mannheim oder Frankfurt als kreuz und quer durch die Südstadt kurven zu müssen, ohne Plan wie man sein Ziel erreicht.“ Von Berlin erhofft sich Schürmer trotz oder auch gerade wegen der großen Konkurrenz neue Impulse: „Dort funktionieren Netzwerke schneller und effektiver, nach Berlin kommen ständig auch von außen viele Besucher, und wer etwas anschauen will, ist dort gewohnt, eine halbe Stunde oder mehr unterwegs zu sein. Hier haben wir es nicht einmal geschafft, die Ettlinger Kundschaft nach Karlsruhe zu mitzunehmen.“ Auch eine Unterstützung durch die Stadt sei nicht sichtbar gewesen. Mit den Flaggschiffen ZKM, Kunsthalle und art Karlsruhe schmücke man sich gerne zur Kunststadt, der Rest aber interessiere Kulturamt und Stadtmarketing herzlich wenig. Jede Initiative verlaufe letztlich im Sande.  
 
„Ich weiß nicht, wenn ich nach Berlin ginge, ob ich da mehr Erfolg hätte, ich glaube es eher nicht“, vermutet Raimund Voegtle, der nach vier Jahren in einem der ältesten Karlsruher Häuser in der Waldstraße eine Lücke hinterlässt. Aus wirtschaftlichen Gründen, wie der Mediziner, der sich mit der Galerie einen Traum erfüllte, betont. Die Lage der Galerien in Karlsruhe schätzt auch er als eher schlecht ein. Einen Grund dafür sieht er im sehr umfangreichen Kunstbetrieb der Fächerstadt, dem zu wenige Kunstkäufer gegenüberstehen: „Es gibt hier einen Bodensatz von wirklich kunstinteressierten Menschen, die sich auch gut auskennen und Ausstellungen besuchen, aber keine Kunst erwerben wollen. Das muss ja auch nicht sein, dass jeder Besucher etwas kaufen will, aber für einen Geschäftsbetrieb ist ein gewisser Umsatz eben notwendig.“ Die Hauptursache jedoch sieht der Galerist eher in gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen und Verhaltensweisen, die zu kurzfristigen Events und Moden tendieren und eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Kunst nicht mehr zulassen: „Heute hat keiner mehr Zeit, und alles wird zur schnell zu konsumierten Ware. Dazu darf die Kunst aber nicht werden, das ist ganz wichtig.“ Dem entspreche auch, dass in der Leistungsgesellschaft der Wert künstlerischer Kreativität weit weniger zähle, als die Arbeit etwa eines Installateurs. Hier wünschte sich Voegtle auch einen Beitrag der Politik in Richtung einer gewissen Nachhaltigkeit. Dennoch waren für den Idealisten, der aus Liebe zur Kunst und zur Malerei ausschließlich zeigte, was ihm persönlich gefiel, die vergangenen vier Jahre eine gute Zeit, von der er keine Sekunde missen möchte. 
 
„So lange man mich hier erträgt, bleibe ich, aber es ist immer ein va banque-Spiel, und das hat man speziell hier im Stadtzentrum nicht in der Hand,“ sagt Michael Oess. Auch er beklagt die Baustellen-Situation, die dem als Kunstflaniermeile gedachten Karlsruher Zirkel, wo Oess seit vier Jahren mit seiner Neue Kunst Gallery residiert, die Laufkundschaft abspenstig macht. „Wenn man gute Kunst hat, kann man von überall her arbeiten. Selbst auf dem Land, wenn im näheren Umfeld ein entsprechendes Potential vorhanden ist,“ sagt der Restaurator und Galerist, der über Karlsruhe aber befindet, dass man sich in puncto Kunststadt deutlich überschätze. Für ihn besonders ärgerlich erscheint, dass von der Presse, den Ankaufkommissionen und der städtischen Kulturverwaltung vor allem Kunst mit deutlichem Lokalbezug bevorzugt werde. „So viele Kollegen haben Karlsruher Künstler, da wollte ich lieber etwas Neues hereintragen“. Das Publikum dankt es Oess, der gerne freche Kunst und viel Farbe einbringt. Doch von der Karlsruher Kundschaft kann er nicht leben. Die Anerkennung von anderer Seite freilich bleibt zu mager: „Es wird gerne vergessen, dass wir alle für die Kultur der Stadt eintreten, doch da kommt wenig zurück. Die Galeristen gelten hier vielfach immer noch als die Kommerziellen, die nur Geld scheffeln wollen.“ Trotzdem möchte Oess Karlsruhe als Standort nach wie vor gut finden, vor allem, weil er die Stadt, in der er aufwuchs, liebt. 
Foto: obere Reihe: von links: Oess und Voegtle - untere Reihe: Schuermer