Archiv Ausgabe Juli 2013 Verschiedenes Herbies Cartoon

Du Arschloch

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Vor kurzem las ich in einer seriösen Zeitung, die früher – und das ist gar nicht so lange her – noch sogenannte Kraftausdrücke durch ….. ersetzte, die Schlagzeile: „Du Arschloch“ heißt übersetzt „Ich habe eine Wut auf dich“. In dem Artikel ging es um den Wieslocher Pädagogen Reinhold Miller, der gerade ein Arbeitsheft vorgelegt hatte mit dem bemerkenswerten Titel „Du dumme Sau“, worin der unkonventionelle Pädagoge neue Wege zu einem freundlichen Umgang an den Schulen aufzeigt. Unter anderem empfiehlt Miller in Affekt-Situationen vom Du zum Ich zu wechseln und von seiner eigenen Befindlichkeit zu sprechen.  
 
Aber ist „Ich habe eine Wut auf dich“ wirklich die richtige Übersetzung von „Du Arschloch“, da habe ich meine Zweifel. „Du A...“ hörte ich im Vorübergehen ein junges Mädchen zu dem jungen Mann sagen, mit dem sie händchenhaltend durch die Fußgängerzone flanierte, danach kam es zu Küsschen und zum Austausch weiterer Zärtlichkeit. Von Wut keine Spur! Seien wir mal ehrlich, das gute alte „Arschloch“, früher noch das stärkste Kaliber im Arsenal der Schimpfworte ist nicht mehr das, was es mal war. Als „Sascha Arschloch“ benannte Wolf Biermann vor zwanzig Jahren den Lyriker Sascha Anderson, als dessen Nebentätigkeit als Stasi-Spitzel aufflog. Dieses „Arschloch“ blieb hängen, als nicht abzuwaschender Zweitname des einst gefeierten Prenzlauer Poeten, auch wenn Biermann wenig später zurückruderte und behauptete, Arschloch“ wäre ein viel zu schwacher Ausdruck, seine besten Freunde würde er gelegentlich als „Arschloch“ bezeichnen.  
 
„Wo kommsch denn du alds Arschloch her?“ titulierte der Journalist Ulrich Kienzle seine launige Betrachtung über die Geschichte seiner Landsleute, der Schwaben, die völlig zu Unrecht als verbale Grobmotoriker verschrien sind, in Wahrheit haben sie es, wie nicht nur Ulrich Kienzle feststellt, in der verbalen Interaktion zu einiger Meisterschaft gebracht. Der Ton macht die Musik und zwischen Schimpfwort und Kosename liegt oft nur eine Nuance. Das „Arschloch“ ist sozusagen ausgeleiert und dennoch möchte man es nicht missen, vor allem natürlich in seiner negativen pejorativen Funktion. Wer zum anderen sagt „Ich habe ein Wut auf dich“, der ist schon nicht mehr richtig wütend, der hat den Affekt schon überwunden und müsste eigentlich sagen „Ich hatte ein Wut auf dich“.  
 
Aber mal ehrlich, wenn uns ein Mitmensch dumm kommt oder uns etwas an ihm stört, dann kommt uns in guter alter Tradition „Du Arschloch“ als erstes in den Sinn und kurz darauf in der Regel auch auf die Zunge. Vielleicht weil sich das „Arschloch“ in seiner dunklen Bedeutungstiefe selbst dem „Benutzer“ nicht ganz erschließt, wird es nie ganz aus der Mode kommen und darum scheint es als Verbalinjurie auch nicht justitiziabel, das heißt als Beleidigung nicht strafrechtlich verhandel- und bewertbar. Vor kurzem wollte ich, durch die massive Werbung und zu Herzen gehende Krankengeschichten überzeugt, mich als Organspender registrieren lassen, unter der Bedingung, dass meine Organe nicht irgendwelchen Arschlöcher zugutekommen, worauf mich mein Rechtsanwalt belehrte, dass diese Einschränkung leider keine Rechtsgültigkeit habe, da der Begriff „Arschloch“ nicht objektivierbar sei. Das ist wohl wahr.  
 
So bleibt halt „Arschloch“ dem ganz persönlichen subjektiven Miteinander vorbehalten und das ist auch gut so. Wenn es dieses kleine, zugebenermaßen nicht ganz feine Wörtchen nicht gebe, würde uns allen verbaler Darmverschluss drohen und das wäre nun wirklich „Scheiße“. In diesem Sinne wünsche ich uns allen, den Arschlöchern und den Nicht-Arschlöchern, ein schönes, mit diversen Vergnügungen und befriedigenden Erlebnissen ausgefülltes Sommerloch.