Archiv Ausgabe Februar 2015 Verschiedenes Herbies Cartoon

Ich bin nicht Charlie

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Nach den Anschlägen von Paris haben Hunderttausende Menschen bekannt. „Je suis Charlie“. Es war ein Ausdruck der Solidarität mit den ermordeten Mitarbeitern der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“.  
Es ist eine noble Geste, die nun freilich nicht gerade viel Mut erfordert. In einer freien, demokratischen Gesellschaft droht dem Bürger beim symbolischen Schulterschluss mit einer Satire-Zeitschrift weder Haft-noch Prügelstrafe oder gar die Erschießung, da mag die betreffende Zeitschrift die Herrschenden noch so sehr verärgert oder gar in Rage gebracht haben. Mehr als eine Klage vor einem ordentlichen Gericht ist auch für die Regierenden nicht drin, um sich gegen einen Text oder eine Karikatur zur Wehr zu setzen. Der rechtsstaatlichen Ordnung sei Dank. 
 
Das Problem ist mittlerweile nur, dass es auch in unserer Gesellschaft einige Leute gibt, die sich dieser Ordnung nicht verpflichtet fühlen, sondern einer höheren Macht, die bei all ihrer vermeintlichen Größe und Allmächtigkeit, den kleinen Nachteil hat, dass sie leicht beleidigbar ist, was aber wiederum für die Strenggläubigen den Vorteil hat, dass sie tatkräftig ihre Liebe zu ihrem Gott und seinem Propheten beweisen können - indem sie den oder die Beleidiger umbringen. Darunter machen sie es halt meistens nicht, die Islamisten. Das haben sie schon einige Mal bewiesen und so gesehen war es auch kein Maulheldentum, wenn der Chefredakteur von „Charlie Hebdo“ etwas pathetisch bekannte, er wolle lieber aufrecht sterben, als auf Knien zu leben. Gesagt, getan!  
 
Sie haben eben nicht still gehalten, die Zeichner und Macher von „Charlie Hebdo“, sie haben sich nicht weggeduckt vor der Gefahr, die nach mehreren Drohungen und einem Brandanschlag doch recht konkret war. Und weil dem so ist, hat es auch etwas Hochmütiges und Angeberisches sich die Aussage „Je suis Charlie“ an das Revers zu heften. Nein, die allermeisten sind nicht „Charlie“. In derselben Situation wie die Charlie Hebdo-Redaktion hätten viele den Schwanz eingezogen, wären etwas kommoder gewesen, hätten sich andere Themenfelder ausgesucht als nun ausgerechnet den Propheten und seine bis an die Zähne bewaffneten Anhänger. Die französische Innenpolitik und die Zustände in Europa hätten gewiss Stoff genug geboten für ein paar ätzende Karikaturen, die man in die Welt setzen kann, ohne sich der Lebensgefahr auszusetzen. Aber nein, sie mussten wieder in dieselbe Kerbe hauen. Aber das hat möglicherweise nichts mit einer selektiven Weltwahrnehmung zu tun, sondern damit, dass Erscheinungen wie die IS, wie Boka Haram, wie muslimische Attentäter nun mal nicht zu übersehen sind und auch nicht übersehen werden können.  
 
Was, wenn nicht diese mörderische Selbstüberhebung, dieser Vernichtungswillen im Namen einer Religion, wäre es wert mit der Feder aufgespießt zu werden, mit den Mitteln der Satire und Karikatur bloßgestellt zu werden. Im Endeffekt hat sich gezeigt, dass in der direkten Konfrontation ein Schnellfeuergewehr durchschlagkräftiger ist als eine Zeichenfeder. Und weil dem so ist, werden auch weiterhin und jetzt erst recht in vielen Medien die Verantwortlichen den Schwanz einziehen, keine Mohammed-Karikaturen ab oder nachdrucken und ein Redaktionsmitglied wird sich sicher finden, das eine gewisse Zurückhaltung auch noch argumentativ verbrämen kann. Die Islamisten seien schließlich auch nur Menschen, sozial benachteiligt, Opfer einer rassistischen westlichen Gesellschaft und amerikanischen Hegemoniestrebens. Und dann gäbe es ja schließlich noch die religiösen Gefühle, die man nicht so einfach mit der Überheblichkeit eines säkularen Mitteleuropäers verletzen solle.  
Ich möchte die Diskussion um die Existenz und die Verletzbarkeit von religiösen Gefühlen nicht vertiefen, aber ich frage mich, wie es um die seelische Befindlichkeit von Gläubigen bestellt ist, die sich durch eine Zeichnung verletzt fühlen, aber nicht nur Bilder und Videoaufnahmen von Schlächtern, die im Namen ihres Gottes die Köpfe von lebendigen Menschen abschneiden. Ja. Ich gestehe es, eine solche Gläubigkeit macht mir Angst. Und es gab und gibt Momente, in denen ich die Schere im Kopf spüre, in denen ich bei bei dieser Thematik zurückzucke oder versucht bin gleich ganz die Finger davon zu lassen. Mit Rücksicht hat das gar nichts zu tun, mit Vorsicht eine ganze Menge und etwas Feigheit ist wohl auch dabei. Nein, ich bin nicht Charlie.