Archiv Ausgabe Mai 2016 Theater, Comedy, Show Festivals

tête-à-tête Festival

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Neue Trends im Straßentheater

Nach mehr als 20 erfolgreichen Jahren hat das Rastatter tête-à-tête eine neue Leitung. Erstmals verantworten mit Julia von Wild (Foto rechts) und Kathrin Bahr (Foto links) zwei junge Frauen aus Bremen Deutschlands größtes Straßentheaterfestival, das vom 24. bis 29. Mai 2016 die Straßen, Plätze und Parks der Barockstadt Rastatt in Beschlag nehmen wird. Klappe Auf unterhielt sich mit den beiden Kulturmanagerinnen, die dem Großevent ein neues Erscheinungsbild mit einem Spatz als Maskottchen verpassten. Wie gewohnt ist das Tagesprogramm in der Stadt bei freiem Eintritt, für die Abendveranstaltungen gibt es Tickets zum erschwinglichen Preis. Alle Programminfos finden sich unter www.tete-a-tete.de. 
 
Sie sind seit über zehn Jahren intensiv mit Straßentheater und den artistischen Künsten befasst. Was reizt Sie daran? 
 
Kathrin Bahr: Das ist vor allem die Unmittelbarkeit und Nähe des Straßentheaters zum Publikum, und dass auch nach einer Vorstellung, die Künstler im direkten Kontakt zum Publikum bleiben. Spannend ist, dass mit dem Straßentheater ganz andere Zielgruppen erreicht werden, als in den Theatern. 
 
 
Vor einem Jahr haben Sie in Rastatt für die Nachfolge des langjährigen Festivalleiters Charlie Bick unterzeichnet. Welche Vorgaben hat man Ihnen für das tête-à-tête 2016 gegeben? 
 
Kathrin Bahr: Es war ein Wunsch der Stadt, dass das Festival als als tête-à-tête erkennbar bleibt, aber künstlerisch etwa hatten wir keinerlei Einschränkungen. Es kann ja vielleicht von Vorteil sein, wenn nach über 20 Jahren einmal jemand mit Blick von außen kommt und die eine oder andere Neuerung einführt.  
 
Julia von Wild: Von unseren früheren Besuchen wissen wir, dass Rastatt ein wahnsinnig tolles und aufgeschlossenes Publikum hat, und es für jeden Künstler ein Genuss ist, hier aufzutreten. Das Festival ist wahnsinnig groß, dass es in dieser geballten Form eine Stadt für fünf Tage auf den Kopf stellt, ist für Deutschland einzigartig. Das soll auch so bleiben. 
 
Mit dem TUSCH! zu Beginn und zum Schluss umrahmen Sie das Straßentheaterfestival mit einem ein neuen Format. Warum? 
 
Kathrin Bahr: Wir dachten es sei eine tolle Möglichkeit und eine gute Unterhaltungsform zur Eröffnung, das Tagesprogramm witzig moderiert anzuteasern. Und auch zum Abschluss eignet sich ein buntes Kaleidoskop an Höhepunkten. 
 
Was haben Sie vor allem verändert? 
 
Julia von Wild: Wir hoffen, dass wir das Festival etwas entspannen, und haben neue Orte etwa im Schlossgarten und im Murgpark eingeführt und den Spielplan zeitlich etwas entzerrt. Eine Änderung ist auch das neue Design mit den tête-à-tête-Spatzen, das uns einen zeitgemäßen Festivalauftritt verschafft und gleichzeitig die Möglichkeit bietet, durch eine passende Stadtmöblierung die Zuschauerströme leichter Wege und Orte finden zu lassen. 
 
Welche Kriterien hatten Sie für die Programmauswahl? 
 
Kathrin Bahr: Zum einen möchten wir neue Trends aufgreifen, zum andern aber auch möglichst alle Facetten von Straßentheater und -zirkus abbilden. Wir haben darauf Wert gelegt sowohl die Publikumslieblinge und Stars des Genres wie auch neue Gruppen und ausgesprochene Newcomer nach Rastatt zu holen, wobei die Formate von kleinsten Person-zu-Person-Bespielungen bis zur riesigen Platzinszenierung des Theaters Panoptikum reicht. Als Programmgestalterinnen sind uns die einzelnen Künstler ebenso wichtig wie die Ausgewogenheit der über 300 Einzelshows als großem Ganzen. 
 
Welche neuen Trends gibt es denn in der Straßentheaterszene? 
 
Julia von Wild: Zum Beispiel hat sich bei der Jonglage viel getan. Während es früher vor allem darum ging, wie man noch eine Keule mehr in der Luft halten kann, geht es heute viel mehr darum, eine Geschichte zu erzählen. Wir haben zwei Beispiele im Programm, die zeigen, wie sich gerade die Jonglage revolutioniert hat und sich als künstlerisches Medium zu begreifen beginnt. Eine andere Entwicklung markiert, dass zunehmend viele Tänzer auf die Straße gehen. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass der moderne Tanz in den Theatern Elemente des Hip-Hop-Tanzes aufgreift, der von der Straße kommt. Da gibt es eine neue Durchlässigkeit. Aus dem Bereich der Bildenden Kunst gibt es auch Tendenzen, die sich in interaktiven Installationen und mobilen Skulpturen niederschlagen, wie sie auch durch Rastatt fahren werden. Schließlich kommt es durch die zunehmenden Zirkussschulen in Europa - alleine in Belgien gibt es drei hervorragende und auch in Berlin eine erste - zu einer Professionalisierung der Zirkuskünste, was sich auch auf die Szene in Deutschland auswirkt, die bisher sehr Comedian-geprägt war. 
 
Was war die extremste Straßentheaterperformance, an die Sie sich erinnern können? Und wo sind die Grenzen des Genres? 
 
Kathrin Bahr: Das extremste war sicherlich die Riesen-Inszenierung der französischen Truppe Royal de Luxe in Berlin 2009 zu den Wiedervereinigungsfeiern. Dass da Millionen Menschen auf der Straße waren, um den Riesen zu erleben, das fand ich sehr beeindruckend. Wenn Sie nach den Grenzen fragen, denke ich an Grenzen der Waghalsigkeit. Zirkus ist immer halsbrecherisch und teilweise ist das Bewegen in den Lüften sehr gefährlich. Aber ich glaube, dass das Publikum nicht das letzte halsbrecherische Wagnis sehen muss, um berührt zu werden. Vielmehr ist es die Direktheit, die dem Publikum das einzigartige Erlebnis beschert. Da ist weniger manchmal mehr. 
 
Foto oben quer: von Ilvy Maijen: Cirque de Platzak 
Foto unten links von Ben Hopp: EaEo