Archiv Ausgabe November 2017 Theater, Comedy, Show Theater und Show

Tanz Karlsruhe

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Mit der Sonne und den Grenzen der Erde

Das sich Tanz heute nicht in der ästhetischen Bewegung erschöpft, sondern auch als Ausdrucksmittel für inhaltliche Botschaften und zur Veranschaulichung gesellschaftspolitisch bedeutsamer Themen dienen kann, das beweist das Festival Tanz Karlsruhe in seiner 21. Auflage gleich mehrfach. An fünf Orten hat die vielseitige Veranstaltungsreihe ab dem 7. November ein Dutzend Programmpunkte positioniert, die von Flamenco bis zu Breakdance, vom Solotanz bis zur großen Compagnie und vom modernem Ballett über Tanztheater bis zum Multimedia-Spektakel reichen. 
 
Zum Auftakt am Dienstag, 7.11., kommt mit Helena Waldmann eine Meisterin des gesellschaftspolitischen Tanztheaters ins Tollhaus. Hatte sie sich in der Vergangenheit etwa um den Umgang mit der Altersdemenz oder den Produktionsbedingungen in den Textilfabriken in Fernost beschäftigt, so lässt sie in ihrem jüngsten Stück „Gute Pässe Schlechte Pässe“ dreißig Menschen – Tänzer und Akrobaten, Mauerbauer und Mauerschauer, Hiesige und Fremde Grenzerfahrungen vermitteln. „Warum kann ich mich mit meinem guten deutschen Pass völlig ungehindert in 178 Ländern bewegen?“, fragt sie, „und warum haben Menschen aus ärmeren Ländern diese Bewegungsfreiheit nicht?“. Mit der Gegenüberstellung zweier Kulturen, deren Sprachen grundverschieden funktionieren, zeigt das Stück, in welchem Verhältnis Grenzziehungen und die Sehnsucht nach geschlossenen Gesellschaften stehen. Nicht weniger virulent ist zwei Wochen später, am Dienstag 21.11., im ZKM das deutschsyrische Amal project (Foto) aus dem Umfeld von Sasha Waltz. Im Rahmen ihres ZUHÖREN-Projekts startete im Februar 2016 ein Tanzworkshop mit unbegleiteten syrischen Minderjährigen, syrischen Tänzern und Mitgliedern der Compagnie. Auf Initiative von Medhat Aldabaal entwickelten daraufhin vier Tänzer dieser Gruppe zusammen mit dem Ensemblemitglied Davide Camplani das Stück „Amal“, indem die Künstler begleitet von Live-Perkussion einen Ausdruck für ihre Hoffnungen suchen.  
 
Zu einem interkulturellen Brückenschlag zwischen Flamenco-Tanz und usbekischer Trommelkunst kommt es am Sonntag, 12.11., wenn in der Tempel-Scenario-Halle das Musiker-Duo Tevana auf die international renommierte Flamenco-Tänzerin Karen Lugo aus Mexiko und den musikalischen Botschafter Usbekistans Doira-Maestro Abbos Kosimov trifft. Kaum weniger verwegen kombiniert ist die brillante Beziehungsstudie, die Sébastien Ramirez und Hyun-Jung Wang alias Honji in ihrem international gefeierten Tanzstück „Monchichi“ am Mittwoch, 15.11., im ZKM zeigen. Ramirez ist in Südfrankreich aufgewachsen und hat spanische Wurzeln, Wang ist als Tochter koreanischer Eltern in Deutschland geboren. Auch ihre tänzerische Herkunft kann kaum unterschiedlicher sein: er ein B-Boy, sie hat eine klassische Tanzausbildung. Gemeinsam finden sie eine einzigartige Bewegungssprache. 
 
Multimedial wird es mit zwei deutschen Erstaufführungen im ZKM am Freitag, 17.11, wenn Alexander Whitleys britische Dance Company „8 Minutes“ zeigen, und am Sonntag, 19.11., wenn die dänische recoil performance group gleich zwei mal (16 und 20 Uhr) „STEREO“ tanzt. Das Publikum wird für ihre Performance mit 3-D-Brillen ausgestattet, um das atemberaubende grafische 3D Universum und intensive Duett zwischen Mann und Frau, zwischen Realität und Illusion voll auszukosten. Die großartigen Bilder, die Wissenschaftler der Sonne abrangen, bilden die umwerfende Kulisse des einstündigen Tanz-Musik-Video-Erlebnisses, das Alexander Whitley mit dem Videokünstler Tal Rosner, dem Komponisten Daniel Wohl und seiner Company für das Londoner Sadler’s Wells Theater schuf. 
 
Zu den regelmäßigen Klassikern des dreiwöchigen Tanzfestivals zählen im Kulturzentrum Tempel am 10. und 11.11. die „Lange Nacht der kurzen Stücke“, bei der sich die regionale Tanzszene vorstellt, am 20.11. die ebenso kurzweilige Vorstellung der Preisträger des internationalen Solo-Tanz-Theater-Festivals, die stets für Überraschungen und Entdeckungen gut ist, sowie der Scenario Battle am 25.11.. Dabei treffen 16 internationale Teams mit jeweils 2 Tänzern aufeinander. B-Girls und B-Boys tanzen mit Leidenschaft, Akrobatik, Musikalität und Dynamik um den European-Breakdance-Championship-Titel.  
 
Auch die Kinemathek ist wieder mit zwei Filmbeiträgen bei Tanz Karlsruhe an Bord. Die britische Doku „Bolshoi Babylon“ (16. und 23.11.) ermöglicht einen Einblick in eine der wichtigsten Kulturinstitutionen der Welt, an der der künstlerische Leiter 2013 von einem Maskierten mit Säure angegriffen schwere Verätzungen in Gesicht und Augen erlitt, und wirft dabei ein entlarvendes Schlaglicht auf die russische Gesellschaft. „Die Tänzerin“ (18. und 21.11.) setzt Loïe Fuller, einem radikalen Freigeist und einer der großen Pionierinnen des modernen Tanzes, ein schillerndes Denkmal. Zu Ende geht der opulente Tanzmonat am Dienstag, 28.11., im Badischen Staatstheater mit der Europapremiere des deutsch-brasilianischen Projekts „Wachter – Winkler – Scafati“(siehe Tagestipp).