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Hochschule für Gestaltung feiert

Kreativlabor mit interdisziplinärer Offenheit

30 Jahre Hochschule für Gestaltung 
Mit einer Fülle von Veranstaltungen feiert die Karlsruher Hochschule für Gestaltung in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen. Einst von Heinrich Klotz in enger Verbindung zum ZKM konzipiert, sollte die Hochschule als „elektronisches Bauhaus“ ein forschendes und lehrendes Gegenstück zum Kunst- und Medientanker ZKM werden und die dortige Arbeit durch die Verknüpfung von künstlerischen, gestalterischen und theoretischen Studiengängen unterfüttern.  
 
Mit einer Reformhochschule setzte Klotz konsequent auf hochkarätige Künstlerpositionen in der Lehre, die durch befristete Verträge für steten Wechsel und frische Impulse sorgen sollte. Nach Klotzens Tod im Jahr 1999 lief an der Hochschule gewiss nicht alles so, wie es sich der Gründer vorgestellt hatte und insbesondere nach der anderthalb Jahrzehnte dauernden Ägide des Philosophen Peter Sloterdijk als Rektor trudelt die Leitung die Hochschule seit 2015 in stetem personellen Wechsel. Doch das ursprüngliche Konzept der praktische und theoretische Studiengänge verbindenden HfG und ihre interdisziplinäre Offenheit macht die Stätte auch nach drei Jahrzehnten zum spannenden Ort. 
 
Zwei Ausstellungen markieren im Juni den Höhepunkt der Feierlichkeiten zum runden Geburtstag, die die Karlsruher einladen, die Hochschule auch als ihren eigenen Ort zu begreifen und wahrzunehmen. Zum einen präsentieren 40 Absolventinnen und Absolventen unter dem poetischen Titel "All we as" ihre Abschlussarbeiten. Zum anderen beschäftigt sich die HfG mit ihrem Sitz im Hallenbau der ehemals größten Waffenschmiede der Welt, in der zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs bis zu 30.000 Menschen, darunter zahlreiche ZwangsarbeiterInnen Munition anfertigten.  
"Munitionsfabrik" ist der Titel der Ausstellung zur Geschichte eines „ungeheuren Raums“, als den einst der an der HfG lehrende Typograph, Schriftsteller, Galerist, Dozent und Kritiker Adam Seide den Ort mit ungeheurer Geschichte, ungeheuren Ausmaßen, aber auch ungeheurem Potentials bezeichnete. 
 
 
Für Thomas Rustemeyer, der gegenwärtig eine Vertretungsprofessor für Ausstellungsdesign an der HfG innehat und die Schau mit Studierenden erarbeitete, berichtet davon, in Archiven, aber auch an seinem Arbeitsplatz auf erschreckendes Material und Orte gestoßen zu sein, die ihm seinen Arbeitsort in neuem Licht erscheinen lassen. So habe man unter anderem den heute die Sprinkleranlage beherbergenden Keller des Industriedenkmals untersucht, der früher als Luftschutzbunker genutzt wurde und auf 320 Metern Länge Tausende an Spinden beherbergte. "Ich habe schon immer gefühlt, dass die Dimensionen des Gebäudes dem menschlichen Maß nicht entsprechen", so Rustemeyer, "durch unserer Recherchen haben wir herausgefunden, dass hier riesige Maschinen, Metallpressen eingebaut waren." Erst in den 90er Jahren wurde der gigantische, offene Raum mit vielen Türen und Trockenbauwänden parzelliert. In einer Mischung aus Archivausstellung und künstlerischen Arbeiten, in denen sich Studierende und Lehrende über die Jahrzehnte mit diesem Ort beschäftigten, soll hier das Bewusstsein für einen wichtigen, bislang lediglich durch eine Gedenktafel repräsentierten Teil der Karlsruher Geschichte geschärft werden. 
 
Lena Reitschuster ist eine der HfG GRADUATES 21/22, die ihr Studium der Kunstwissenschaft und Philosophie im Hallenbau vor einigen Monaten abschloss. Sie lobt die große Offenheit der Hochschule, die alle Freiheiten gebe, den eigenen Interessen zu folgen, aber gleichzeitig auch zwinge, sich selbständig zu organisieren und zu arbeiten. Sie hat die redaktionelle Arbeit der Diplomausstellung übernommen, in der sich 40 aktuelle Absolventinnen und Absolventen mit ihren Arbeiten präsentieren. "Unsere erste Idee war es, den Begriff des Gemeinsamen in den Vordergrund zustellen, denn hier wird vielfach interdisziplinär und in kollektiver Anstrengung gearbeitet und schließlich sind es gerade die hier entstandenen Freundschaften und Netzwerke, die bleiben, wenn wir die Hochschule verlassen", sagt Reitschuster, die auf die große Unterschiedlichkeit des Ausgestellten verweist. Das Spektrum reicht von filmischen Arbeiten über Medienkunstwerke und Klangkunst und theoretische Arbeiten bis hin zu einem Roman, mit dem eine Studentin ihren Abschluss machte. Entsprechend vielfältig ist das von Reitschuster in assoziative Zusammenhänge gegliederte Ausstellungsspektrum, zu dem sich ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Filmvorführungen, Performances, Konzerten, Stadtspaziergängen und Diskussionen gesellt. Inhaltlich geht es dabei ebenso um ökologische Herausforderungen wie um mediale Konzepte, um den menschlichen Körper, um künstliche Intelligenz und Kreativität, um Stadtbild, Architektur und Genderproblematik, kurzum zentrale Fragen, die Menschen und Gesellschaft umtreiben, und die hier aus einer jungen und frischen Perspektive bearbeitet werden.  
 
Fotos: oben links: Leonie Mühlen - rechts: Carmen Westermeier - unten: HfG_Bu:_Michelle Mantel 
 
> Diplomausstellung HfG GRADUATES 21/22: 02.06.-19.06., dienstags bis sonntags, 11-18 Uhr, Ausstellung Munitionsfabrik: 02.06.-11.09., dienstags bis sonntags, 11-18 Uhr; Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, Lorenzstraße 15, Karlsruhe

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76135 Karlsruhe
 
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