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Alistair Hudson

Kunst als Dienst an der Gesellschaft

 
Neuer künstlerischer Leiter am ZKM >  
Ohne ausgearbeiteten "Masterplan" trat der Brite Alistair Hudson Anfang April seinen neuen Job als wissenschaftlich-künstlerischer Leiter des ZKM in Karlsruhe an. Er wolle erst einmal zuhören und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennenlernen, ehe er mit eigenen Konzepten an die Öffentlichkeit trete. Bei seiner ersten Pressekonferenz am neuen Wirkungsort zeigte sich der aus Manchester kommende Kurator und Museumsleiter als Teamplayer, Netzwerker und Vertreter der Vorstellung einer "nützlichen Kunst", die im Gegensatz zum vom Kunstmarkt gepflegte Label einer "l´art pour l´art" die Künste in eine gesellschaftliche Verantwortung nimmt. Klappe Auf unterhielt sich mit dem Mittfünfziger, der auf den kurz zuvor verstorbenen Peter Weibel folgt. 
 
 
Erinnern Sie sich, wann Sie sich erstmals für Kunst begeisterten? 
 
Alistair Hudson: Ja, ich war zwölf oder 13 Jahre alt und besuchte eine Alberto-Giacometti-Ausstellung. Das war damals vielleicht weniger die Kunst als vielmehr diese spezielle Atmosphäre einer Kunstausstellung, die mich faszinierte. Das war ein Schlüsselmoment, da ich wusste, dass ich Teil dieser Welt werden wollte. 
 
Wann haben Sie erstmals vom ZKM gehört? 
 
Hudson: Oh, das war gleich von Beginn, Ende der 80er Jahre. Als ich in London studierte, sprachen unsere Professoren von diesem neuen Zentrum. Wir studierten damals nicht in Kunstsparten, sondern Kunst im Allgemeinen und da war diese neue Medienkunst etwas sehr aufregendes. Es war damals schon klar, dass das ZKM eine der wichtigsten Kunstinstitutionen der Welt werden würde. Persönlich besucht habe ich erstmals um 2010. 
 
In Ihrer Vorstellungen denken Sie das ZKM als Museum 3.0.. Was bedeutet das? 
 
Hudson: Wenn das Museum 1.0. das konventionelle Museum ist, in dem Besucher Kunstwerke anschauen und das Haus dann gebildet oder emotional berührt verlassen, werden die Besucher im Museum 2.0 einbezogen, um zu interagieren und mit der gezeigten Kunst in Austausch zu treten. Das Museum 3.0 hingegen ist eine Einrichtung der Citizen Science, der Bürgerwissenschaft oder Bürgerforschung, in dem die BesucherInnen die Inhalte und Formen mitbestimmen, die für sie relevant sind und im Museum verhandelt werden sollen. Das Museum 3.0 gewinnt dadurch mehr Energie, hat als weniger Schwellen, eine größere Breite an BesucherInnen und eine stärkere Diversität der AkteurInnen und des Gezeigten. 
 
Ein solches Museum braucht ja dann vermutlich keinen klassischen Museumsdirektor. Wie sehen Sie Ihre Rolle im Museum 3.0? 
 
Hudson: Ich denke da an einen Dirigenten. Ich sehe mich in erster Linie als einen Ermöglicher, der Menschen Räume und Ressourcen zur Verfügung stellt, das zu tun, was sie machen möchten und am besten können. Letztlich geht es um einen Dienst an der breiten Gesellschaft, denn wir sind ein öffentliches Institut und damit für alle da. Es geht auch darum, dass wir der Gesellschaft nutzen können. 
 
Sie sprechen vom ZKM als einem Museum. Ursprünglich war der Museumsaspekt in der Vorstellung des Gründers Heinrich Klotz aber nur ein Aspekt des ZKM, das vielmehr als ein multidiziplinäres Forschungslabor angelegt war. Welche Rolle spielt für Sie etwa die Musik für die Zukunft des ZKM? 
 
Hudson: In der Tat ist das Bild vom Museum 3.0 auch eher ein Beispiel für die zu entwickelnde Struktur und ich bin da voll und ganz bei der Gründungsidee meiner Vorgänger. Das ZKM ist eine Einrichting der Künste und der Wissenschaft. Und ich sehe da sämtliche Kunstgattungen einbezogen, auch die reine Wissenschaft, die ja auch eine Kunst ist, aber auch Formen, die wir heute vielleicht noch gar nicht kennen. Musik spielt dabei für mich eine große Rolle, denn sie hat eine vergleichsweise leichte Zugänglichkeit und kann Menschen unmittelbar und ohne Vorkenntnisse erreichen und berühren. Wir werden zum Beispiel die Verleihung des GigaHertz-Preises zu einem Festival ausbauen und auch vor dem Schloss etwa mit dem Kraftwerk-Konzert ein Zeichen setzen. Musik ist ja durch unsere digitalen Gadgets überall zugänglich, es ist aber auch immer noch ein besonderes Erlebnis, sich in einem Raum zusammenzufinden und gemeinsam ein Konzert zu genießen. 
 
Sie möchten in Zukunft viel Verantwortung den Nutzerinnen überlassen und sprechen gerne von Kollektiven. Was können Sie dafür tun, dass dies sich dann nicht wir bei der vergangenen documenta zu einem Debakel entwickelt? 
 
Hudson: Die documenta war ein sehr spezieller Fall und es kann nicht darum gehen alles zuzulassen. Wir brauchen ein Mission Statement, eine Kernbotschaft und eine Philosophie, denn wir dienen der Gesellschaft. Auf der anderen Seite agieren wir alle auf den unterschiedlichsten Ebenen als Kollektive und Gruppen. Wir brauchen Debatten, Konflikte und Auseinandersetzungen, in denen unterschiedliche Meinungen sich miteinander messen können. So funktioniert Kultur. Ziel ist es, einen Konsens darüber zu finden, wie wir leben wollen.