Mit dem Digitaltheater erobert das Badische Staatstheater den Karlsruher Stadtraum. In den kommenden beiden Jahren entsteht an insgesamt einem Dutzend über die Stadt verstreuten, begrünten und CO2-neutralen Mixed-Media-Stationen die Stadtoper "Paradise Found - Wo ist dein Paradies?". An dem Projekt wirken sämtliche Sparten des Theaters mit und Karlsruherinnen und Karlsruher liefern das Libretto, indem sie Antworten auf die Frage geben, wo sich genau ihr ganz persönliches Paradies verbirgt. Digitaltheater, eine neue Sparte? Ein Forum für Bürgerbeteiligung? Ein Vorreiter der Nachhaltigkeit? Klappe Auf unterhielt sich mit Kevin Barz, der seit September diese neue Abteilung am Staatstheater leitet.
Was hat Sie als Mensch des Theaters, eines Orts der analogen Begegnung zwischen Spielern und Publikum, zur Digitalität gebracht?
Kevin Barz: In meiner Theaterarbeit reizt mich immer der Versuch, Neuartiges zu denken und mit dem Bekannten, das ich liebe, zusammenzubringen. Schon meine Ausbildung im Studium in Gießen bei Heiner Goebbels, einem Vertreter des avantgardistischen Theaters, und an der Otto Falckenberg Schule, einer der ältesten deutschsprachigen Theaterausbildungsstätten, war so ein Spagat. In der Corona-Zeit wurde die Auseinandersetzung mit dem Digitalen großes Thema, aber ich merkte schnell, dass der zunächst eingeschlagene Weg nicht der richtige war und wir uns auf ganz andere Weise mit der digitalen Revolution auseinandersetzen müssen.
Was ist die Rolle des Digitaltheaters am Badischen Staatstheater?
Barz: Wir verstehen uns als Kompetenzzentrum. Das klingt nüchtern, beschreibt uns aber recht gut. Wir versuchen Dinge miteinander zu verbinden. So nutzen wir zum Beispiel die Mittel des Schauspiels, der Oper oder des Balletts. Sei es, dass ich als Regisseur eine Produktion anstoße und konzipiere, oder, dass ein Regisseur kommt, den wir beraten und dem wir unseren Input zur Verfügung stellen. Digitalität wäre nichts, wenn wir sie nicht mit den Menschen verbinden könnten., iIm Grunde geht es darum Netzwerke zu knüpfen.
Welche Möglichkeiten bietet denn die KI für die Arbeit am Theater?
Barz: Zunächst einmal stellt sie uns vor die Aufgabe, sich mit ihr und ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft kritisch auseinanderzusetzen. Sie schürt Ängste, bietet aber auch Chancen. So nutzen wir sie etwa im Bildbereich. Im kommenden Jahr wird mit "Itch" eine sehr actionreiche Oper herauskommen, in der wir ausschließlich mit KI-generierten Bildern arbeiten werden. Auch die Sängerinnen und Sänger werden eingebettet, indem wir ihre Gesichter in diese Bildwelten einarbeiten werden. Das ist ein ganz neues Experiment, die Software hierfür ist erst seit kurzem auf dem Markt.
Im November steht die Premiere von "Die Tagesshow – It´s called Fake News" an. Was erwartet da die Zuschauenden?
Barz: Wir wollen einmal einen ganzen Abend lang lügen, und zwar mit allen Mitteln, die das Theater zur Verfügung stellt – inklusive einem Live-Deep Fake. Im Grunde fälschen wir eine Tagesschau-Ausgabe. Ziel ist, eine ideale Tagesschau zu gestalten, die wir zur richtigen Zeit um 20 Uhr über unsere Kanäle in die Welt senden. Das Publikum kann die Nachrichten mit aussuchen, die allerdings nur positiv sein dürfen. Das Gesicht des Schauspielers wird durch das Gesicht eines bekannten Tagesschau-Moderators ersetzt. Nach der Ausstrahlung könnte man denken: Was war denn heute für ein toller Tag. Aber am Ende steht dann die schmerzvolle Frage, warum die Welt denn nicht wirklich so ist. Wir haben das Projekt bereits in der vorletzten Spielzeit in Oldenburg auf die Bühne gebracht, aber mittlerweile hat sich die Technik rasant weiterentwickelt: was der Computer damals noch mehrere Wochen lang durchrechnete, erledigt er heute in wenigen Stunden.
Ist das Digitaltheater ein Türöffner für die jüngere Generation?
Barz: Ja, vor allem durch die Themen, die wir behandeln. Anders als die anderen Sparten haben wir in der Regel keine Vorlagen und bewegen uns fernab des klassischen Theaterkanons. Wir suchen nach den Themen, die unsere Gesellschaft gerade beschäftigen. Soziale Themen, Deep Fake und Fake News, was macht KI bei uns zu Hause, wie gestaltet sich unser digitaler Alltag, - das sind Themen, die junge Menschen gegenwärtig umtreiben und direkt an ihrer Lebensrealität angesiedelt sind. Dabei sind unsere Stücke häufig interaktiv, aber kein Theater für Nerds. Wir wollen durchaus auch relevantes Theater für die Menschen bieten, die seit 20 Jahren Abonnentinnen und Abonennten des Staatstheaters sind. Es geht darum, Neues und Tradiertes miteinander zu denken und zu verbinden.
Die Tagesshow – It´s called Fake News
9., 17. und 19.11. - jeweils 19 bis 20.15 Uhr
Badisches Staatstheater, Studio
Hermann-Levi-Platz 1
Karlsruhe